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Fakten zur Aufführung 

POPPEA // POPPEA. Ein Tanzstück
(Christian Spuck/Gauthier Dance)
9. Juli 2010
(Uraufführung 1. Juli 2010, Theaterhaus Stuttgart)

Theater Bonn


Points of Honor                      

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Was es über die Liebe zu sagen gäbe

Oper und Tanz pflegen traditionsgemäß eine enge Beziehung. Dass eine Oper getanzt wird, ist hingegen schon seltener. Christian Spuck, Choreograf des Stuttgarter Balletts und ab der Spielzeit 2012/13 Heinz Spoerlis Nachfolger am Zürcher Ballett, hat jetzt die späte Monteverdi-Oper L' Incoronazione di Poppea als Vorlage für einen Tanzabend für das Ensemble Gauthier Dance genommen. Spuck, seit 2005 auch als Opernregisseur aktiv (zuletzt Gluck, Orphée et Euridice, Stuttgart, Verdis Falstaff, Wiesbaden) orientiert sich streng am Handlungsrahmen des Librettos von Giovanni Francesco Busenello, lässt aber die musikalische Form Monteverdis beiseite. Musikalische Grundlage von Poppea // Poppea. Ein Tanzstück ist eine collagierte Bühnenmusik, die Martin Donner aus Monteverdis Poppea (die schöne Aufnahme aus Montpellier von René Jacobs und dem Concerto Vocale) erstellt hat. Donner bearbeitete die Originalmusik mit Mitteln des Scratchings und Samplings, hat sie gebrochen und zerstückelt und mit eigenen harten Sounds und elektronischen Kompositionen ergänzt. Andere Stücke Monteverdis treten - bearbeitet oder unbearbeitet - hinzu: aus dem 7. Madrigalbuch, aus den Madrigali Guerrieri et Amorosi, Ausschnitte aus Il Combattimenti di Tancredi et Clorinda, aber auch Klaviermusik von Schumann und Songs von Emiliana Torrini, Cat Power und Bob Dylan werden hinzugezogen, die das zeitlose Thema von Liebe, Macht und Verrat in einem überzeitlichen Klangraum ansiedeln.
Eine Présentatrice - mit charmant französischem Akzent: Marianne Illig - gibt ganz sachlich und lakonisch die sechs Personen und die wechselhaften Beziehungsverhältnisse bekannt: "Un: Das ist Poppea. Geliebte von Ottone. Sie ist heimlich mit Nero zusammen. Deux: Das ist Ottone. Ottone liebt Poppea. Ottone wird aus Angst vor Verrat versuchen, Poppea in Drusillas Kleidern zu ermorden." Über Ottavia, Seneca und Drusilla geht es zu "Six: Das ist Nero. Mächtiger Kaiser Roms. Geliebter Poppeas. Er wird Ottone und Ottavia verbannen und töten. Poppea krönt er zur Kaisern. Das ist Nero, der Kaiser." Damit ist gleich zu Anfang klar, bei wem und wo wir sind, was geschieht. Es ist der gleiche erbarmungslose Ablauf, wie bei der Vorlage aus dem 17. Jahrhundert.
Wie die Musik wird auch das Charakter- und Intrigendrama mehrfach gebrochen. Zuerst ist es die Erzählerin, die deutlich macht, dass es ein Bühnenstück ist, dass eine Tanztheatertruppe das Stück als Stück gibt, dann sind es die historischen Kostüme im so eleganten wie opulenten Barockstil, die so ganz barock dann doch nicht sind, da sie immer Blicke auf die ganz zeitgenössischen Shorts und Tops der TänzerInnen frei geben. Hinzu kommt die Live-Kamera, mit der die Akteure sich immer wieder untereinander porträtieren und im Großformat schonungslos in den Bühnenvordergrund beamen. Gesichter aus dem Jetzt. Gleich am Anfang: "Das ist Poppea" : Garazi Pérez Oloriz. Eine zierliche Frau. Das Gesicht ganz nah und im Großformat – und doch ein sphinxhaftes Rätsel zwischen Zartheit und Skrupellosigkeit. Ihre Rivalin Isabelle Pollet-Villard als Ottavia ist in ihrer Größe ebenso doppelbödig: intrigant auch sie, aber eher aus einer defensiven und verzichtenden Position heraus. Erschütternd die Szene, wie sie sich von ihrem Herrscherinnenornat trennen muss, um es an Poppea weiterzugeben. Entwürdigt und nackt verlässt sie die Bühne. Eric Gauthier als Nero hat als Despot, der er ohne Zweifel immer ist, auch etwas ruchlos Komödiantisches, Unernstes, Unbeteiligtes. Am Ende, nach den intensiven Solos, Duetten und Ensembles, superpräsent, virtuos, auch elegant getanzt, ohne auf Ecken und Härten zu verzichten, steht man mit den Tänzern zusammen vor dem Rätsel. Warum ist das eigentlich so passiert, was hat es motiviert? Der Tanz nimmt das Wort zu Hilfe: "Ich weiß nicht, was es über die Liebe zu sagen gäbe, denn man kann Alles oder Nichts sagen: Liebe gibt es. Das ist aber auch alles." (Jean Baudrillard).
Mit etwa 80 Minuten Spielzeit reicht das Tanzstück in der Länge nicht ganz an die Vorlage heran; in der Intensität schon: Ovationen fast ohne Ende!
Das Werk entstand als Produktion des Theaterhaus Stuttgart in Koproduktion mit dem Grand Théâtre du Luxembourg und in Kooperation mit dem Theater Bonn und der Schauburg München.

Points of Honor Tanz:

Weitere Aufführungstermine: Leverkusen (Dezember 2010), Lörrach, Aschaffenburg (Januar 2011), Remscheid und Luxemburg (Mai 2011).

Dirk Ufermann

 









 
Fotos: Regina Brocke