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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
18. Januar 2008 (Dernière)

(Premiere: 10. Juni 2007)

Theater Bonn


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Viel Grobes, wenig Feines – Verdis Otello in Bonn

Der Anfang ging erst einmal im Klangchaos unter: Verdis 'effeto stupendo' verpufft im ungestalteten Chaos von Musik, Geräuschmaschinen und Szene. Dietrich Hilsdorf siedelt seinen Otello in einem unbestimmten Kriegsgebiet an. Zyprioten werden, wenn man der Kleidung, Bärten und der Kopfbedeckung Glauben schenken darf, zu Juden, Otello und sein Gefolge zu Palästinensern - also ein Blick auf den Nahostkonflikt. Die Personenregie hat es schwer, den Chor und Extrachor sowie die zahllosen Statisten in eine wie auch immer geartete Ordnung zu bringen. Zahlreiche hinzuerfundene Rollen – ein einbeiniger Kriegsveteran bietet als Zuhälter seine angeblich jungfräuliche Tochter an, Cassio (Arturo Martin) wird von einer Animierdame 'oben ohne' (Karin Murra) angebaggert, Soldaten attackieren das Publikum – wirken eher verunklärend als erhellend. Über den Orchestergraben läuft ein Steg, der weidlich genutzt wird und die Protagonisten (und die mit Pistolen ins Publikum zielenden Statisten) in den unmittelbaren Kontakt zum Publikum bringt. Im Ganzen hat der überladene Anfang der Inszenierung einen ausgiebigen Hang zum Ordinären und Gewalttätigen.

Das Bühnenbild (Dieter Richter) ist sehr ambitioniert. Es ist halb demolierte Fabrikhalle, halb Lazarett, das zugleich als Schlafzimmer Desdemonas und Otellos fungiert. Viele technische Details geraten bei der hier besprochenen letzten Aufführung außer Kontrolle. Die angeklebten Bärte hatten wohl nicht mehr die rechte Haftung. Geräuschvoll ächzend und unsauber arbeitende Fensterverdunkelungen stören die Musik. Als dann Jago eine Kerze anzuzünden versucht, es mit seinen Streichhölzern nicht schafft und das Publikum um Hilfe angeht, weiß man dann auch nicht mehr, ob es sich um ein technisches Versagen oder um ein inszenatorisches Mätzchen handelt. Allein von daher: eine Aufführung aus der Provinz.

Die Rolle des Otello übernahm für die letzten Aufführungen der Wiederaufnahme der Mexikaner Luis Chapa. Möglicherweise lag es an diesem späten Einstieg in die Produktion, dass er der Rolle keine glaubwürdige und überzeugende Gestalt geben konnte, obgleich er über die stimmliche Souveränität scheinbar mühelos verfügt. Weder als siegreicher Gewinnertyp, noch als zuerst liebender, dann eifersüchtiger Gatte konnte er dem Otello das nötige vielschichtige Profil verleihen. Der schmerzhafte innere (Selbst-)Zersetzungsprozess vom Helden zum Opfer, das wiederum zum Täter wird, ist nicht als glaubhaft erkennbare Persönlichkeitsveränderung entwickelt. Otello in der Regie von Dietrich Hilsdorf wirkt wie eine plumpe, hilflose, gesteuerte Marionette ohne Innenleben.

Mikail Babajanyan liefert hingegen ein überaus überzeugendes, durchgestaltetes, ganz eigenständiges Porträt des Jago. Er ist in dieser Inszenierung nicht so sehr Nihilist oder ein von Dämonen getriebener Unmensch. Er ist ein Lebemann, dem die destruktiven Spielchen den nötigen Erfolgskick geben, aber zugleich auch ein reptilienartig gezeichneter, ressentimentgeladener Underdog mit fortwährend rollenden Augen. Hilsdorf versieht ihn mit dem nicht besonders einfallsreichen Attribut des Schachspielers. Man versteht, Jago hat die Fäden in der Hand – doch fehlt ihm für die Partie ja eigentlich der gleichwertige Gegner.

Die schönsten und berückendsten Momente des Abends sind jedoch Irina Oknina als Desdemona zu verdanken. Unbeirrt von allen Unzulänglichkeiten geht sie ihrem Ende entgegen, gleichsam verständnislos verstehend. Oknina gibt ihrer Desdemona mit zartem, doch auch kraftvollem, leuchtendem Sopran das über das Rollenporträt, über ihre individuelle Passion hinausgehende notwendige Allgemeine: den Typus von Güte, Resignation, Verzicht und Todesbereitschaft. Auch die kleineren Partien sind gut besetzt: Arturo Marin als Cassio, Johannes Mertes als Roderigo und Anjara I. Bartz als Emilia.

Das Beethoven Orchester Bonn spielte unter der Leitung des GMD Roman Kofman mit großem Engagement. Besonders die intimen Momente gelangen mit viel Einfühlungsvermögen. Der Chor und Extrachor der Oper, gesanglich ohne Tadel, agierte in der Darstellung oft überzogen. Das bei der letzten Vorstellung so gut wie ausverkaufte Haus reagierte ausgesprochen herzlich.
Dirk Ufermann

 

 








Fotos: Thilo Beu