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Fakten zur Aufführung 

JEPHTA
(Georg Friedrich Händel)
19. Juni 2005 (Premiere)

Theater Bonn

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Archaische Wucht

Die alttestamentarische Geschichte um den Opferschwur Jephtas wird von Dieter Richter in einen mystisch israelischen Kulturraum verlegt, mit einem Steg über den Orchestergraben in das Publikum. Viele Details imaginieren das Bild alttestamentarischer Gewalt. Höhepunkt: der Opfer-Hauklotz mit dem eingeschlagenen Beil.

Dietrich Hilsdorf inszeniert radikale Emotionen. Dabei verlässt er die übliche Interpretationsebene (Jephtas Schuld) und dekouvriert den Monotheismus des auserwählten Volkes als manipulierten Trick des herrschenden Hohen Priesters. Außer dem grandiosen Bild des „gemachten“ Engels verweist Hilsdorf mit auftauchenden Marx/Engels und köpfenden Jakobinern auf historische Parallelen falscher Versprechungen unter der Vorgabe humanitärer Ideale. Dazu: die Bühnen-Interaktionen imaginieren extreme Auseinandersetzungen zwischen konkreten Archetypen abgründigen menschlichen Verhaltens.

Unter Jos van Veldhoven realisiert das Beethoven Orchester Bonn die extremen Intentionen Händels (Jephta ist sein opus summum) in hinreißender Perfektion: Tempi, Dynamik, Streicher-Glissandi stehen weniger im Dienste der Oratorien-Regeln als vielmehr in den Händel-Intentionen von expressivem Ausdruck extremer Emotionen. Eine orchestrale Glanzleistung, hoch intensiv begleitet durch das außergewöhnlich intensive Continuo mit Cembalo, Cello, Kontrabass und Laute.

Patrick Henckens spielt einen verfolgten outcast-Jephta, darstellerisch und stimmlich von höchster Intensität. Martin Tzonev ist als hinterlistiger Zebul die Verkörperung des metaphysisch begründeten Bösen. Susanne Blattert gibt Jephtas Frau Storgè mit stimulierender Leidenschaft. Julia Kamenik fasziniert als glaubensfanatische Iphis, stimmlich von höchster Emotionalität. David Cordiers Counter beeindruckt mit weicher Phrasierung und verkörpert die Gefühle des Iphis-Geliebten mit einer Mischung aus balsamischem Klang und verzweifeltem Schrei. Mit Anna Virovlansky ist ein bildhübscher Engel zu bestaunen, die darüber hinaus Händels entrückte Töne engelsgleich erklingen lässt.

Das unglaublich geschlossene Gesamtkunstwerk von Regie-Idee, erarbeiteter Dramaturgie, Orchester, Gesang und Szene wird in Bonn frenetisch gefeiert – mehr als zwanzig Minuten Beifall nach gespannter Aufmerksamkeit finden ihren angemessenen Ausdruck. Dennoch: Wohl selten ist ein derart rechthaberischer Applaus an den falschen Stellen zu hören wie bei dieser atemberaubenden Jephta-Präsentation. (frs)


Fotos: © Thilo Beu