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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang A. Mozart)
7. September 2003 (Premiere)

RuhrTriennale
(Jahrhunderthalle Bochum)

Points of Honor                      

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Viele Wörter

Am Schluss: Mozart triumphous, seine Musik ist die Utopie. Zuvor allerdings mehr als drei Stunden lang: liegende, schwebende, stehende Riesenmatratzen in Weiß, Video-Projektionsflächen für animierte Wörterbänder wie bei Kluges dctp; dazu die "Zauberflöte" als gedankenreiches "Gedicht" des spanischen Lyrikers Rafael Argullul (nach Schikaneder), schön gesprochen von Dörte Lyssewski - allerdings ohne Zeit zur Meditation über aphoristische Klugheiten (das Nachlesen der Texte im vorzüglichen Programmheft ist ein intellektueller Genuss!). Die Konzeption von La Fura dels Baus - einst die brutalen Provokateure klassischen Theaters - geht nicht auf: Mozarts Ingenium wird eher konterkariert als verstärkt; die ästhetischen Mittel reichen nicht für die Faszination des Artifiziellen, vermitteln weniger "Sensibilität für Gefühle" (Bühne Jaume Plensa).

Les Musiciens de Louvre-Grenoble - Experten für Alte Musik auf historischen Instrumenten - lassen sich vom fulminanten Marc Minkowski zu einer verzögert-intensiven Mozartinterpretation voller perfekt umgesetzter Liebe zum musikalischen Detail führen; allerdings verliert sich der filigrane Klang doch im weiten Raum der Industriearchitektur.

Auf ähnliche akustische Probleme stößt das brillante Solisten-Ensemble: Christian Gerhahers Papageno lässt schon in Reihe 16 der hochansteigenden Tribüne nur wenig von seinem munteren Bariton hören; Mathias Klinks Tamino ist nur als blasser Schimmer in seiner Emotionalität hörbar; die glänzenden Koloraturen und kristallklaren Spitzentöne von Erika Miklosas Königin der Nacht sind nur dezent wahrnehmbar, selbst der durchaus schlagkräftige Olaf Bär hat als "Sprecher" nicht das Gewicht, um sonor überzukommen; Kwang Chul Youns Sarastro beeindruckt trotz aller Widrigkeiten mit einem Stentorbass par exellence, die phantastische Genia Kühmeier, am Beginn ihrer wohlvorbereiteten Weltkarriere präsentiert sie eine leidende Pamina voller emotionaler Tiefe (weshalb die ja wohl nachvollziehbare Bedrohung durch Monostatos zu einer Lachnummer im IKEA-Styropor-Kugel-Kasten wird, bleibt eines der Rätsel dieser Inszenierung) und leistet das, was Intention der Veranstaltung ist: emotionale Identifikation mit dem leidenden Menschen und der Utopie einer neuen Welt. Schön, dass Gelsenkirchens hoffnungsvoller Burkhard Fritz als 1. Geharnischter in die Fußstapfen Reiner Goldbergs tritt, der seine Karriere mit dieser Rolle am Theater Radebeul begann!

Das Premierenpublikum - international durchsetzt, 120 Kritiker - ist sicherlich nicht repräsentativ für die folgenden ausverkauften Aufführungen. Doch lassen Gespräche vor der Außenkulisse der faszinierenden Jahrhunderthalle die berechtigte Vermutung zu, dass eine enorme Erwartungshaltung bei künftigen Besuchern besteht! (frs)

P.S.: Steven Sloane scheint mit seiner Kritik an der Akustik der wunderbaren Halle bei non-amplified Musikaufführungen nicht so falsch zu liegen.






Foto: © Ursula Kaufmann