Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

PHÈDRE
(Jean Baptiste Racine)
11. Mai 2003

RuhrTriennale
(Jahrhunderthalle, Bochum)

Points of Honor                      

Musik

---

Gesang

---

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Grande tragédie!

Jean B. Racines Phèdre in der Inszenierung von Patrice Chéreau: eine große Tragödie, ein Meister des Schmerzes - ein Glücksfall für die Eröffnung der Ruhrtriennale 03.

Alles, was man sich von einem fesselnden und reinigenden Tragödienstoff erträumt, findet sich hier in kristallischer und zugleich hoch emotionaler Form: Heldentum, Tugend, Hass, Schrecken, Liebe, Fehlentscheidungen, Missgunst, Begehren. Alles spiralförmig grabwärts angeordnet. Ein großartiger Stoff für den lange vom Theater abwesenden Patrice Chéreau. Kongenial die atemberaubenden Schauspieler im strengen Kostüm von Moidele Bickele, im kargen Bühnenbild von Richard Peduzzi, hineingesetzt in das Industriedenkmal Jahrhunderthalle in Bochum.

Ort und Bühnenbild verströmen eine antike Erhabenheit, in welcher das seelentiefe Spiel des gesamten Ensembles den ganzen Raum füllen kann. Noch in der größten Bewunderung fürchtet man, der darstellerischen Leistung der Schauspieler nicht gerecht zu werden. Grandios: Dominique Blanc als Phèdre, die durch die inzestuöse Liebe zu ihrem Stiefsohn schon in Wahnsinn und Todessehnsucht getrieben ist. Wenn sie endlich bekennt "j'aime!", spiegelt ihre Stimme höchstes Glück und zugleich ahnt ihr Körper sichtbar den Untergang.

Pascal Greggory lässt lange die Unerreichbarkeit und Kälte spüren, die ein Held abstrahlt, der schon alles im Leben gesehen hat, sogar das Reich der Toten. Erst muss sein Sohn Hippolyte durch seinen Fluch zu Tode kommen, seine Ehefrau vergiftet vor seinen Füßen zusammenbrechen, bevor der gottgleiche Held von wahrer Erschütterung erfasst, regelrecht niedergeschmettert wird. Eric Ruf versteht es, den Hippolyte so auszubalancieren, dass seine an Selbstvergewaltigung grenzende Tugendhaftigkeit und seine stürmische, politisch verbotene Liebe zur gefangenen Fürstin Aricie unauflösliche Ambivalenz erzeugen. Alle Protagonisten sind in einen göttlichen Schicksalsplan eingebettet und haben doch die Freiheit, Entscheidungen zu treffen. Ihr Ringen darum wird attackiert von Gefühlen, Wahnsinn, Verblendung. Um Klarheit bemühte Köpfe auf getriebenen Körpern. Den daraus entstehenden Schmerz sichtbar gemacht zu haben, ist das Verdienst von Chéreau

Am Ende geht man in die Knie und fühlt wie selten im Theater, was es mit der Tragödie auf sich hat: Schrecken, Mitleid und Katharsis. (cr)


Fotos: © Ros Ribas, Odéon - Théâtre de l’Europe