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Kraftwerk der Gefühle
Neil Shicoff hat einen seiner großen Abende: stimmlich auf der Höhe, hoch konzentriert, emotional ergriffen. So steigert sich die Gefühlsintensität über Cavaradossi, Macduff, Werther, Hoffmann und Lenski zur Verzweiflung Elcazars, um mit Lucevau le Stelle die Gefühle aufs Opern-Normale zu fixieren. Alle Arien sind – wie Lieder! – Inkarnationen komplexer Charaktere, verdichten ganze Opern auf komprimierte Momente paradigmatischer Gefühle. Neil Shicoff gibt sich diesen Emotionen hin – sehr zurückgenommen, aufgehend in der Wahrheit überwältigender innerer Kräfte.
Das gelingt durch kongeniale Mitwirkung der Duisburger Philharmoniker: ein Orchester, das sich immer mehr in die Reihe der großen Interpreten entwickelt. Unter dem flexibel-sensiblen John Fiore (GMD der Düsseldorfer Symphoniker, aber auch Chefdirigent der gemeinsamen Oper am Rhein) fasziniert ein luzider Klang, der vor allem durch die genialen Übergänge zwischen den Instrumentengruppen ungewöhnliche Hör-Assoziationen freisetzt.
Sehr gelungen die Auswahl der „Zwischentexte“: im Ablauf eher schemetisch, aber mit Arien-bezogenen Shakespeare-, Goethe-, Puschkin- und Lessingtexten verständnisfördernd. Julia Stemberger spricht diese Klassiker klar artikulierend, selbstbewusst, im distanzierten Brecht-Duktus außerordentlich textverständlich.
Im hingerissenen Publikum macht sich neben der Begeisterung für exorbitanten Gesang und erstklassige Musik auch das Miterleben elementarer Gefühle breit. Eben kein „Gala-Abend“! (frs)
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