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Fakten zur Aufführung 

LE DERNIER CARAVANSERAIL
(Ariane Mnouchkine)
8. und 12. Juni 2004 (Premiere)

RuhrTriennale
(Jahrhunderthalle Bochum)

Points of Honor                      

Musik

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Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Ein Theatererlebnis

TV-Dokumentationen, Presseberichte, Filmproduktionen - über die Situation der Flüchtlinge aus aller Welt fühlen wir uns bestens informiert. Doch wie sehr berühren uns solche Darstellungen? Ariane Mnouchkine schafft mit ihrem "Théâtre du soleil" solche Emotionen, die all zu oft auf der Strecke bleiben: Anteilnahme, Mitgefühl, ja manchmal sogar Mitleid. In dem knapp sechsstündigen Epos "Le Dernier Caravansérail (Odyssées)", aufgeführt an zwei Abenden, werden Einzelschicksale von Flüchtlingen aus unterschiedlichen Regionen der Welt geschildert. Im Blickfeld stehen dabei sowohl die Ursprungsländer der Betroffenen wie Afghanistan, Iran oder Moskau als auch die Zielorte, meist Auffanglager wie Sangatte.

Ariane Mnouchkine setzt dabei auf die herausragenden Qualitäten ihres riesigen Ensembles, das die Situation der Flüchtlinge für den Zuschauer hautnah erlebbar macht. Die insgesamt 90 Episoden wechseln in vergleichsweise kurzen Abständen. Doch gerade diese Wechsel werden mit einer beeindruckenden Virtuosität vollzogen: Die Akteure bewegen sich entweder auf kleinen Rollbrettern oder ganzen Miniaturbühnen, die wiederum von den gerade nicht agierenden Darstellern in atemberaubendem Tempo auf die Bühne gefahren werden.

Bereits die allererste Szene zeugt von der fantastischen Wirkung, die Ariane Mnouchkines Theater erzielt: Der reißende Grenzstrom zwischen Kirgisien und Kasachstan, dargestellt mit Hilfe von riesigen Tüchern, die natürlich von Ensemblemitgliedern bewegt werden. Mitten auf dem Fluss eine Gondel voll mit Flüchtlingen, die den Strom bei stürmischem Wetter überqueren will. Sämtliche Dialoge werden dabei in einer bisweilen ein wenig hölzern daherkommenden deutschen Übersetzung auf die Bühne projiziert. Gleiches gilt für die von Zeit zu Zeit immer wieder vorgetragenen Originalbriefe verschiedener Flüchtlinge.

Die dramatische Würze aber erfahren die Episoden erst durch die effektvolle Musik von Jean-Jaques Lemêtre. Diese kommt nicht vom Band, sondern wird live, in der Regel mit einem Synthesizer, eingespielt - eine Mischung aus Film- und Theatermusik, die hoch emotional ist.

Keine Frage, "Le Dernier Caravansérail" ist ein Theatererlebnis und, wenn man den Begriff mag, auch ein Theater-Event. Die Triennale macht erneut ihre Existenzberechtigung mehr als deutlich: So etwas sucht man auf anderen Bühnen vergeblich. Die Begeisterung des Publikums ist bombastisch - klar, diesem Ereignis kann man sich nicht entziehen! (cd)


Fotos: © Wolfgang Silveri