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Fakten zur Aufführung 

STREET'S SCENES
(nach John Cage)
31. Oktober 2007

Prinz-Regent-Theater Bochum


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Regie

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Zufalls-Provokation

John Cage -- das ist Musik begründet auf „Zufall“, minutiös festgehalten für das Nachspielen – und da auch wieder offen für den kalkulierten „Zufall“ der Stücke. Das Ensemble RuhrKlang beherrscht diesen Wechsel von Soli und Ensemble, von schrillen Instrumentenklängen, unkonventionellem Bearbeiten der Instrumente, Klangerzeugung mittels Pappkartons und Wasserschüsseln und Einspielen zerhackter Radiotöne nebst enervierender Rückkopplungen in virtuoser Vollendung.

„Musiktheater“ nennen sie ihre hochspannende Aneinanderreihung von Cage-Werken, die Straßenszenen assoziieren sollen. Acht „Szenen“ der Cage-Imagination sind es, die präsentiert werden – von der „water music“ als getupftes Tasten-Berühren mit wildem Pedal-Treten und Blasen in Wasserbecken bis zur gleichzeitigen performance eines string-quartetts for seven instruments und einem theatre piece für Flöte, Klarinette, Gitarre, Schlagzeug, Klavier und Cello – mit einem „Sprecher“, der Wortfetzen vermittelt und unterschiedliche Vorstellungen bei den Zuhörern provoziert.

Markus Stollenwerk gelingt mit Christa Becker, Nena Eckelmann, Anna Reitmeier, Ingrid Stollenwerk und Carsten Langer ein intensiver Eindruck der musikalischen Intentionen von John Cage – und Sascha von Zambelly steuert mit kalkuliert reduziertem Spiel und musikalisch integrierter Sprech-Stimme einen wesentlichen Teil zum Prozess der Geschichten-Erfindung bei.

Das Kommen und Gehen der Instrumente, der einheitlich schwarze Bühnenraum – die Konzentration auf Musik, Töne, Klänge und Geräusche ist perfekt vorhanden.

Und doch wird die so intelligent konzipierte und engagiert präsentierte performance zum Desaster. Sitzt da doch eine blond-selbstbewusste junge Mutter mit ihrem Neugeborenen auf den Sitzen des Bochumer Prinz Regent Theaters wie in der Wickelstube eines Müttergenesungsheims und erfreut sich am permanenten Brabbeln, Nöhlen, Quietschen und Strampeln des Säuglings. Da haben die anderen – wenigen – Zuschauer kaum eine Chance, sich mit den Cage-Provokationen auseinanderzusetzen.

Die Realität soll mit ihren unkalkulierbaren Geräuschen in der Musik ihren Platz haben – das ist Cages Credo. Nur: Dies alles in gestaltet-begriffener Form, als durchaus artifizielles Produkt.

Wenn denn Mutter und Kind aus dem Umfeld des Ruhrklangs stammen sollten – wie man hört – dann sollte das Ensemble in Zukunft auf öffentliche Auftritte verzichten, und in ihre privaten Räume einladen.

Wieder mal ein Beispiel dafür, dass nicht das Private in dieser Gesellschaft gefährdet ist, sondern die hilflose Öffentlichkeit. John Cage würde es grausen. (frs)