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Fakten zur Aufführung 

BÖHMEN, EIN WÜSTES LAND AM MEER
(Kapitel II: Suche die verdammten Fragen)
6. September 2006

RuhrTriennale
(Jahrhunderthalle Bochum)

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„Suche die verdammten Fragen“ – von deren Antworten ganz zu schweigen

Mit Vanessa Redgrave und Armin Mueller-Stahl sind zwei Schauspiel-Stars der Aufforderung: „Suche die verdammten Fragen“ gefolgt. Fündig werden sie an unterschiedlichen Stellen der Geschichte und Dichtung.

Der Saal in der Jahrhunderthalle ist vollbesetzt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hängt auf langen Stoffbahnen von der Wand herab. Die Artikel kleiden den Raum rundherum ein – schon bevor die Vorstellung begonnen hat, ist sie politisch. Also mehr als nur ein „poetischer Abend“, wie es im Subtext der Veranstaltung heißt.

Vanessa Redgrave tritt zuerst auf und nach ein paar Minuten wird klar: Die Grand Dame des Theaters versteht es meisterhaft, Poesie mit Politik zu verbinden. Ihre Fragen lässt sie durch die Dichter Wilfred Owen (1898-1918), Stephen Spender (1905-1995) und Harold Pinter (1930) stellen. Es sind Fragen nach Menschlichkeit und Mitgefühl, die sich im letzten Jahrhundert nicht geändert haben. Hier ist Wilfred Owen, der Dichter aus dem 1. Weltkrieg, so aktuell wie der vehemente Gegner des Irak-Kriegs, Harold Pinter. Es sind keine heiter-unterhaltsamen Gedichte, die Redgrave gekonnt vorträgt. Aber sie versteht es, durch gelungene Einleitungen und Überleitungen Aufmerksamkeit zu wecken: Aufmerksamkeit für die immer gleichen Fragen und die von ihnen betroffenen Menschen, die damals wie heute unter Kriegen und anderen Missstände litten und leiden. Und wahrscheinlich hinterlässt sie gerade deshalb dieses beklemmende Gefühl.

Dann kommt Armin Mueller-Stahl. Für seine Suche greift er ins späte Mittelalter, auf den Dichter und Lebemann Francois Villon, zurück. Dessen Themen sind universal: Liebe, Geld und Hoffnung. Der stellenweise derbe Humor in den Gedichten bringt die Zuhörer zum Lachen. Eine Parade-Rolle für Mueller-Stahl, der die Texte regelrecht auslebt. Doch auch Nachdenkliches trägt er vom spät- mittelalterlichen Dichter vor. Gerade bei den Gedichten zu Liebe und menschlichem Miteinander kann man schnell vergessen, dass ihr Verfasser seit über 500 Jahren tot ist – so stark berühren sie heute noch.

Zu seiner Lesung gibt Mueller-Stahl wie ein Maestro Sarah Spitzer (Violine) und Mike Jin (Klavier) den Einsatz. Die beiden jungen Musiker begleiten den gesamten Abend einfühlsam. Hervorragend aufeinander abgestimmt fangen sie die Stimmung der Gedichte ein und intensivieren sie noch. Am Ende gibt es großen Applaus für alle Beteiligten, gewiß auch stillen Applaus für die umsichtigen Triennale-Verantwortlichen, die auf jeden Platz ein Heft mit deutschen Übersetzungen der englischen Gedichte gelegt hatten.

Der zweite Teil der Böhmen-Lesung war auf der Suche nach den „verdammten Fragen“. Vanessa Redgrave und Armin Mueller-Stahl haben gezeigt, daß die Fragen da sind und es auch schon vor Jahrhunderten waren – nur die „verdammten“ Antworten fehlen damals wie heute. (sas)


Foto: © Ursula Kaufmann