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Avantgarde, antik
Heiner Müllers lakonischer Prometheus mit der resignativen Erkenntnis
der Gewöhnung an die ewigen Fesseln wird von Heiner Goebbels zu einem
Bravourstück der musikalischen Avantgarde.
Auf der leeren, imaginativ ausgeleuchteten Bühne beherrschen die Gruppen
von Keybord bzw. einem festungsähnlichen Aufbau der drums die Szene, dahinter
ein halbhoher Steg. Ernst Stötzner spricht die Müller Texte prononziert
beiläufig, erzielt mit sparsamen Gesten dramatisch-reflektierte Effekte.
An den drums wirbelt David Moss spektakulär, entlockt den Schlaginstrumenten
hämmernde Eruptionen, aber auch geheimnisvoll-fremde Geräusche mittels
ungewöhnlicher Techniken, dazu fasziniert er mit vokalistischer Brillanz,
vermag seiner Stimme ungeahnte Variationen des Stöhnens, Seufzens, Aufschreis
abzugewinnen.
Heiner Goebbels spielt musikalische Elemente über den sampler, ein rauschendes
Großorchester, Blasmusikpassagen, aber auch krachende Geräusche, emotionale
Zwischentöne auf dem Keyboard kommentieren die schreckliche Geschichte
der Antike, verweisen auf die Nicht-Konsumierbarkeit unbegreiflicher Abgründe
der existentiellen Menschheitsgeschichte. 1985 als Hörspiel Aufsehen erregend,
1991 szenisch umgesetzt, hat dieser "Urknall" forcierten Musiktheaters
nichts von seiner Faszinationskraft verloren.
In Bochum gibt es natürlich ein hochkultiviertes Publikum, aber es gibt
sie auch, und nicht in marginaler Größe, die Zuspätkommer, die Rausgeher
und Wiederreinkommer, die Schwätzer, die gickernden Tussis, die Sauerland-Expeditionsteilnehmer
in Thermojacke und Fellmantel mit dem unvermeidlichen Rucksack. Sie machen
brutal deutlich, dass es noch ein weiter Weg zum Ziel des "Strukturwandels
Kultur" ist! Die Bochumer Symphoniker leisten dabei wichtige Aufbauarbeit.
(frs) |
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