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COMEDY SURREAL
Ganz im aktualisierten Volkstheater-Gestus
geht Gregor Horres die so häufig überpathetisch interpretierte Zauberflöte
an. Eine Fülle überraschender Comedy-Effekte (Highlight: die alte Papagena
als Frau Jaschke) benutzt theatrale Mittel als Feuerwerk reflektiert-volkstümlichen
Theaters, zeigen autoritäre Resultate guruhafter Beeinflussung: Sarastros
Heilslehre erzeugt graue Einheitsfiguren (wie die Blaumiesen in Yellow
Submarine), allein die renitenten "Alternativen" bewahren ihre Individualität,
während Tamino/Pamina im Schlussbild nur noch als Hochzeits-Portrait vorhanden
sind.
Bühne und phantasievoll-charakterisierende Kostüme von Kirsten Dephoff
geben die variablen Spielflächen für das surreale Geschehen und die Dialektik
der Aufklärung: Wände mit Öffnungen, überraschende Versenkungen, subtil-ironische
Requisiten, knalliges Donnern und Blitzen im Schikaneder-Gestus; die kluge
dramaturgische Arbeit Roland Quitts provoziert geradezu enthusiastische
Voraussetzungen für die Konzeptionen von Regie und Bühne.
Peter Kuhn unterstützt mit dem allerdings erst langsam auf Touren kommenden
Philharmonischen Orchester der Stadt Bielefeld die Inszenierungsidee,
konterkariert bewusst die Angebote zu eindimensionalem Pathos und gibt
den Sänger-Darstellern viel Gelegenheit zu textverständlichem Singen.
Für Bielefelder Standards überraschend, ist nicht von sängerischem Glanz
zu berichten: Luca Martin fehlt der lyrische Glanz des Tamino, Melanie
Kreuter singt die Königin der Nacht koloraturensicher, aber vermag nicht
zu brillieren; Victoria Granlunds Pamina ist selbstbewusst angelegt, beeindruckt
durch weiches Timbre, lässt aber in der Phrasierung Wünsche offen; Hans
Griepentrogs Sarastro vermeidet röhrende Bass-Orgien, überzeugt durch
legatoreine Stimmkultur; Alexander Franzen fasziniert als unkonventioneller
Papageno, seinem Spiel-Bariton fehlt die Durchschlagskraft. Corneli Isenbürger
ist eine hinreißende Papagena, zunächst als schrullige Frau Jaschke, dann
als peppiges Comedy-Girl mit geläufig-geschmeidigem Sopran; Alexander
Marco-Buhrmester spielt und singt einen souverän-ironischen "Sprecher";
und Lassi Partanen überzeugt darstellerisch und stimmlich als hoffnungsloser
Outcast Monostasos; die drei Damen - Ada Gunnars, Annina Papazian, Franziska
Gottwald - tragen ihren Teil optisch und stimmschön zum Gesamteindruck
bei; lobenswert die Präsentation der drei Knaben, weitab von Tölzer-Knabenchor-Klischees.
Im gut besetzen Bielefelder Haus - viele jugendliche Zuschauer! - herrscht
eine atmosphärisch dichte Aufmerksamkeit. Offenbar gilt auch hier das
neu erkannte kommunikative Prinzip des Sowohl-Als auch: Angebote für reflektierende
Connaisseurs und sinnlich-stimulierender Duktus für die "Nicht-Eingeweihten"!
Begeisterter Applaus. (frs)
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