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Fakten zur Aufführung 

RUSLAN UND LUDMILLA
(Michail Glinka)
18. März 2009
(Premiere: 14. März 2009)

Theater Bielefeld


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Irrungen - Wirrungen

Puschkins nie versiegender Erzählstrom immer wieder neuer Geschichten wird in Glinkas Musiktheater-Version 1842 zum Beginn der russischen Operntradition. Der Griff in die russische Märchenwelt mit Rittern, Zauberinnen, Zwergen, Edelfräulein und fröhlich tanzendem Volk wird zu einem ständigen Wechsel der Erzählebenen, so wie die melodienreiche Musik zwischen russischer Folklore, romantischen Klängen und klassischer Sinfonik äußerst effektvoll changiert.

In Bielefeld inszeniert Nicholas Broadhurst die romantische Liebesgeschichte von Ludmilla, den drei Rittern und den unheilvollen bzw. wohlwollenden Zauberern als Szenen einer Volkstheatergruppe, in der sich die so gar nicht glücklich endenden Irrungen und Wirrungen abspielen (Modell: Pagliacci).

Das ist gut ausgedacht - doch wirkt das Ganze in seinen langen dreieinhalb Stunden wie ein allzu ausufernder altukrainischer Brauchtumsabend; immer wieder stockt die Handlung, allzu starr chargieren die Darsteller - und zu wenig durchschlagenden Witz haben die Requisiten Konfektschachtel, Bonbonpapier und Cocktailwedel.

Auf die leere Bühne senkt sich ein riesiger Geschenkkarton aus Russia, dem die Truppe entsteigt: Timo Dentler und Okarina Peter schaffen mit diesem variabel nutzbaren Kubus auf der Drehbühne und folkloristischen bzw. skurril Werbung karikierenden Kostümen kommunikative Räume von einigem optischen Reiz. Doch die offenbar angestrebte lustvolle Ironie will sich nicht vermitteln. Der Stimulus will nicht überspringen, und alles wirkt verkrampft-statisch.

Nun ist allerdings zu berücksichtigen, dass Victoria Granlund erheblich indisponiert die Ludmilla angeht, im Finale – nach total ausbleibender Stimme – durch Larissa Molnar am Bühnenportal stimmlich vertreten wird - das alles hat sicherlich Auswirkungen auf die Befindlichkeit des Ensembles. Doch hat dies nichts mit der Unbeweglichkeit des Chors und der wenig animierenden Erzählweise zu tun. Michael Bachtadze gibt dem liebend Abenteuer suchenden Ruslan ungemein kraftvoll-agile Stimme; Jacek Janiszewski gelingt mit seinem voluminös-ausdrucksstarken Bariton ein knorrig-kämpferischer Farlaf; Ljubka Nikolowa verleiht der bösen Zauberin Naina pointierten Ausdruck; Sarah Kuffner artikuliert die verliebte Gorislawa mit viel Nachdruck; Monte Jaffe wird mit der Rolle des ratlosen Großherzogs Swetosar stimmlich gut fertig; und Lassi Partanen interpretiert den prophezeienden Sänger mit zuverlässiger Intonation. Sich zur entäußernden Liebe mit ihrem dunkel timbrierten Mezzo emotional steigernd: die bewundernswerte Dshamilja Kaiser als Ritter Ratmir; und Luca Martin – ein eindringlich mahnender, voluminös tönender Zauberer Finn mit eindrucksvoller tenoraler Demonstration. Chor und Extrachor überzeugen mit schwelgendem Klang (Leitung: Hagen Enke), wenn es auch bisweilen an der nötigen Präzision hapert - und wenn von komödiantischem Spiel soviel wie nichts zu erleben ist.

Die Bielefelder Philharmoniker unter Leitung von Leo Siberski sind mit der so differenzierten Glinka-Musik außerordentlich gut vertraut, beherrschen die effektvollen Stilwechsel mit Bravour – und setzen vor allem mit den markanten Holzbläsern brillant-emotionalisierende Akzente. Musikalische Höhepunkte: die eindrucksvollen sinfonischen Zwischenspiele!

Bei der zweiten Aufführung ist das Haus längst nicht voll besetzt – offenbar gibt es auch im eigentlich traditionell an außergewöhnliche Produktionen gewöhnten Bielefeld Reserven gegenüber „unbekannten“ Werken. Da ist kommunikativ zu arbeiten. Die Aufmerksamkeit des Auditoriums allerdings ist groß, spontane Reaktionen auf kleinste Anspielungen bestimmen den Abend. Sehr lang anhaltender Beifall am Schluss! (frs)

 








 
Fotos: Matthias Stutte