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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
9. April 2006 (Premiere)

Theater Bielefeld

Points of Honor                      

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Gesang

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Lustvolles Qui pro Quo

Wem nicht klar ist, was Dekonstruktion meint (und was damit zu erreichen ist!), der sollte eine Reise zu Bielefelds "Rosenkavalier" einplanen: Frank Hilbrich (Regie) und Volker Thiele (Ausstattung) brennen ein Feuerwerk an Satire, Ironie, Anachronismen und irritierten Gefühlen ab. Nichts ist mit Wiener Literatenschmäh, mit verlogener Walzerseeligkeit, mit verstaubter Adels-Krise.

Der Preis ist allerdings der oberflächliche Verzicht auf bedrängende Problematisierungen - dafür gibt es aber bizarre Szenen (im ersten Akt die Kissenschlacht; im dritten die Beiselszene) und skurrile Details en masse (die Diener des Ochs als Fellmenschen) sowie karikierende Aufhebungen peinlicher Vorgaben (der Mohr als Transporteur der Rose) und treffend-hinterfragte Facetten der Charaktere. Eine lustvolle Auseinandersetzung mit dem qui pro quo der unterschiedlichen Phasen tiefer Liebe mit ihren genial erfundenen Emotionen, Verunsicherungen und Entsagungen. Eine neue Realität, die als phantasievolles Angebot des Uneigentlichen eigene Vorstellungen des Publikums provoziert. Zudem: Umbauten, Zerstörungen der Bühne auf den von Stahlgerüsten auf dem Podium der Konzerthalle errichteten Spielräumen - das ist zum einen verfremdend, aber zum anderen ein nachvollziehbarer Verweis auf die horriblen gesellschaftlichen Umbrüche und die Zerklüftungen bedrängter Seelen.

Für viele im ostwestfälischen Publikum ist dies alles weniger Ausdruck szenisxcher Innovation als vielmehr Anlass zu ständigem Getuschel und nervendem Gekicher. Doch bricht sich am Ende die Begeisterung für Musik und Gesang lautstark Bahn.

Melanie Kreuters Marschallin fasziniert durch schwebend-schwereloses Singen mit ungemein weichen Höhen und volltönenden Tiefen, vermittelt liebende Ekstase und weisen Verzicht tief empfundener Gefühle - großartig! Mit Susanne Reinhard ist ein Octavian der Extraklasse zu erleben; darstellerisch voller Feuer, sängerisch voll Klarheit und strömender Eleganz. Die Sophie Victoria Granlunds fegt als renitentes Braut-Opfer über die Bühne, kämpft um ihre Liebe zu Octavian und singt mit geradezu hinreißender Phrasierungskunst. Das Schlussterzett bringt stupideste Herzen zum Schmelzen! Brian Bannatyne.Scott debütiert mit dem Ochs in Deutschland: ganz ohne röhrendes Forcieren ist er selbstbewusster Herr seines Kosmos', ohne Selbstzweifel, aber mit emotionalen Reaktionen. Stefan Heidemann gibt dem Faninal viel Aufsteiger-Power, lässt mit seinem kernigen Timbre neue Asoekte hörbar werden. Bewundernswert wie in Bielefeld alle Rollen typengerecht und stimmlich kompetent besetzt sind!

Peter Kahn orientiert sich mit den Bielefelder Philharmonikern am pfiffigen Inszenierungskonzept: knallhart in den dramatischen Passagen, ohne Süßlichkeit im Lyrischen, mit Möglichkeiten für Instrumenten-Solisten; die Akustik der Konzerthalle vermittelt einen erfrischend unsentimentalen Strauss-Klang.

Alles in allem: In Bielefeld sind die Vorstellungen reflektiert-modernen Musiktheaters zum Triumph geworden! (frs)


Fotos: © Stutte