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Fakten zur Aufführung 

DON PASQUALE
(Gaetano Donizetti)
30. November 2008 (Premiere)

Theater Bielefeld


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Motiv: Gier

Daniela Bruera: eine charismatische Darstellerin der intriganten Norina, eine Perfektionistin subtilen Belcanto-Gesangs mit frappierender Sicherheit in halsbrecherischen Koloraturen, ausdrucksstark vom emotionsreichen Parlando über eine facettenreiche Mittellage bis zu glänzend beherrschten Höhen – und das alles mit ausdrucksstarker Variabilität in der stimmlichen Prägnanz und mit der Vermittlung exzentrischer Emotionen durch kunstvoll eingesetzter Triller und Läufe: sie beherrscht die musikalische Welt und vermittelt das Faszinosum artifiziellen Donizetti-Gesangs in beglückender Authentizität. Jacek Janiszewski ist in seiner überwältigend komischen Darstellung des hemmungslos altersgeilen Pasquale ein Musterfall schauspielerischer Selbstentäußerung – hat über diese schier unfassbare Mimikry eines begnadeten Sängers kaum noch Gelegenheit zur Demonstration seiner stimmlichen Kompetenz: aber in den „großen Szenen“ beweist er die variationsreichen Möglichkeiten seines voluminösen Bass-Baritons – hintergründig grummelnd, explosiv in den verzweifelten Ausbrüchen. Meik Schwalm überzeugt mit legatoreicher Stimme und angedeuteten Zwischentönen als dem Mammon dienender Malatesta. Und Seil Kim gibt dem liebenden, aber vor allem am Gold interessierten Ernesto sehnsüchtig timbrierte Stimme, hell im Klang, durchgängig klang-intensiv, aber (noch) ohne das hinreißende Volumen.

Die Bielefelder Philharmoniker begleiten das turbulent-intrigante Geschehen mit differenziertem Klang; Peter Kuhn kontrolliert das vielfältige Zusammenspiel der Instrumentengruppen souverän, verpasst aber die Chance zur Entwicklung eines Belcanto-adäquaten Orchester-Sounds: die Kommunikation mit der Bühne funktioniert in angemessener Synchronität.

Nicholas Broadhurst fokussiert das konfliktreiche Dramma buffo auf die hemmungslose Gier nach dem vorhandenen Gold - es wird in einer Maschine aus Stroh erzeugt. Doch dieser so imaginierend-kritische Inszenierungs-Ansatz verkommt zu einer burlesken Klamotte mit überdrehten Gags, vermag nicht mehr als Spaß an der Freud’ zu transportieren. Bei dem Sinn für konkrete Situations-Komik, exakter Beobachtung individueller Handlungs-Dissonanzen und der stupenden Fähigkeit, Menschen in ihren versteckten Motivationen zu charakterisieren, fragt man sich immer wieder, weshalb es dem phantasievollen Regisseur nicht gelingt, elementare „Botschaften“ mit seinen „unterhaltsamen“ Mitteln herüberzubringen. Too much trash überdeckt den harten Kern, macht ihn unauffindbar.

Timo Dentler stellt das Krankenbett des siechen Pasquale in den Mittelpunkt der Bühne, zeigt auf der Unterbühne die Gold-Maschine, arbeitet kreativ mit den technischen Möglichkeiten der Bühne - vermag aber letztendlich kein nachhaltiges Bild der von Gier bestimmten Welt der intriganten Schwindler-Bande zu vermitteln.

Das Bielefelder Premieren-Publikum erfreut sich am skurrilen Geschehen, ignoriert die versteckten kritischen Verweise, bejubelt – zu Recht – die vorzüglichen Solisten und das Orchester - und verlässt das Haus nach lang anhaltendem Applaus im Bewusstsein, einen unterhaltsamen Abend erlebt zu haben. (frs)

 










Fotos: Matthias Stutte