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Fakten zur Aufführung 

ORFEO
(Iris ter Schiphorst,
Georg Nussbaumer,
Manos Tsangaris)
20. September 2002 (Premieren)

Theater Bielefeld

Points of Honor                      

Musik

Gesang

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MUSIKTHEATER NEU

Wie schon bei Monteverdi, Gluck, Haydn, Offenbach: die Auseinandersetzung mit dem Orpheus-Mythos ist nicht nur eine Frage der inhaltlichen Akzente, er ist eine Herausforderung für zeitgemäße Formen des Musiktheaters. Das Theater Bielefeld forderte drei Komponisten heraus - und zu besichtigen sind drei sensationelle Entwürfe modernen Musiktheaters: aktuell akzentuierend, musikalisch, szenisch; "Musik" wird sinnlich erfahrbar.

Iris ter Schiphorst ("Eurydike - Szenen aus der Unterwelt") präsentiert die weibliche Perspektive und Orpheus wird vom mythischen Helden zum schlappen Egoisten, Eurydike im Unort Hades verlassend. Sinnliche Instrumentenklänge, virtuose Vokalismen formen den musikalischen background - eine kommunikativ-inspirierende Bühne (Sandra Meurer) geben Michael Hirsch Gelegenheit zu intensiver Regie auf Spiel-, Tanz- und Gesangsebene. Es beeindrucken das oh-ton-Ensemble und Anna Clementi als differenziert agierende und phrasierende Eurydike!

Manos Tsangaris setzt auf das Verlassen der Bühne, verlegt sein opus "Orpheus, Zwischenspiele" in eine U-Bahn-Station. Nach faszinierenden optischen und musikalischen Installationen sowie einer 2-Stationen-Fahrt im schummerigen U-Bahn-Zug wird das "Unterwelt-Gefühl" für die Zuschauer nachvollziehbar - erst dann kann Carolin Nordmeyer mit dem Philharmonischen Orchester Bielefeld mit den wunderbaren Orpheus-Countertenor Charles Maxwell und einer zauberhaften Eurydike Victoria Granlunds auf den Rolltreppen musikalische Opulenz entfalten.

Das Publikum bewegt sich durch die halbe Stadt, trifft am erhaltenen Hochbunker ein - und wird mit einer überwältigend-vielfältigen Fülle von Installationen von Georg Nussbaumers "orpheusarchipel" auf drei verwinkelten Ebenen konfrontiert: rudimentäre Instrumente, eine Schotterlandschaft mit pulsierenden Schläuchen (an Beuys' Honigpumpe erinnernd), Nierenbecken mit plastifizierten Innereien, ein leibhaftiger Höllenhund - dazu Klänge, Geräusche, Töne "Gesang". Virtuoser Umgang mit den Instrumenten, exquisite Tonbildung der Sänger (Christina Ascher!) vermitteln mit einer topographischen Grafik den Besuchern ein nie erlebtes Gefühl von "Unterwelt-Assoziationen". Schließlich werden alle Beteiligten zu Troglodyten, gefangen im Dunkel und seiner bedrängenden Faszination.

Die sechsstündige dreiteilige Orfeo-Animation führt das Publikum in das Kleine Haus, in die U-Bahn-Station, in den Bunker; das lässt sich animieren, geht auf die unerwarteten Angebote intensiv ein, erlebt bewusst eine nie erlebte theatrale Fülle emotionaler Eindrücke. Jubelnder Applaus ist nicht möglich, die Zustimmung zur radikalen Innovation spricht sich von Mund zu Mund um. Bielefelds Theater feiert ein Fest, setzt Prozesse in Gang, die das aktuelle Musiktheater nachhaltig verändern werden! (frs)