Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

ÖDIPUS
(George Enescu)
25. November 2006 (Premiere)

Theater Bielefeld

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Tickets

(0521) 51 54 54

 

zurück       Leserbrief

Ein Meisterwerk

Eine Rarität geistert durch die Opernwelt: George Enescu, der rumänische Kosmopolit in Paris, schafft in langen Jahren von 1913 bis zur Pariser Premiere 1936 ein neoromantische-impressionistische-folkloristisch chromatisches Meisterwerk: Ödipus, nach dem Ödipus von Sophokles, fasziniert durch musikalische Intensität mit beeindruckender symphonischer Struktur und einer baritonalen Glanzrolle.

Schon 2004 gelang Götz Friedrich und Gottfried Pilz eine eindrucksvolle Inszenierung des komplex-nachhaltigen Werks (siehe Opernnetz-Besprechung). In Bielefeld wird das Ödipus-zentrierte Opus zu einem Triumph für Solist und Chor, fokussiert auf den gegen Schicksal und Götter kämpfenden Ödipus. Nicholas Broadhurst belässt es nicht beim leidenden schuldlos-schuldigen Mythos, sondern inszeniert einen leidenschaftlichen Kampf des Ödipus um seine menschlich-moralische Integrität. Mit Struan Leslie gibt ein hervorragend-lebendig agierender Chor (plus Extrachor, Statisterie, Bielefelder Singschul' und Studenten der Opernklassen in Detmold, Hannover und Münster - Hagen Enke als "Chef") die "Massen" als kommentierend beeinflussend-reagierende Objekte der herzlosen Götter. Das verzweifelte Bemühen um friedliches Leben wird als Menschheits-Sehnsucht zum beherrschenden Thema.

Die Szene ist eine attraktiv gelungene Kombination von Verweisen auf Schlingensiefs Animatographen (mit einer Über-Fülle von Assotiations-Objekten) und Anna Viebrocks spießigen Räumen (inkl. betulicher Tapete und blinkenden Spielautomaten). Timo Dentler und Okarina Peter gelingt das Kunststück, dekonstruierend zu arbeiten, ohne den Mythos zu verschütten.

Mit Alexander Vassiliev gibt ein Kraftpaket von Mann einen Ödipus voller Renitenz, Selbstzweifel und Widerstand gegen die Willkür der Götter. Mit seinem kämpferischen Bariton ist er die hinreißende Inkarnation des an sich selbst glaubenden Individuums! Monte Jaffe beeindruckt mit seinem direkten Singen als bösartig-allwissender Tiresias; Kaja Plessing gibt der Jocaste bezwingende Mezzo-Töne; Sonja Borowski-Tudor ist eine raffiniert-aggressive Sphinx mit emotionalisierendem Wechsel eindringlichen stimmlichen Kunstmitteln; Lisa Fornhammer präsentiert eine quirlig-leidenschaftliche Antigone - eine Entdeckung mit großen Hoffnungen. Michael Bachtadze als Creon, Simeon Esper als Hirte, Michael Tews als Wächter und Priester, Florian Muck als Theseus sowie Meik Schwalm als Phorbas, Lassi Partanen als Laios und Gerda Maria Sandres sind weitere Solisten einer stupenden Ensemble-Leistung!

Peter Kuhn führt die sensibel-kraftvoll aufspielenden Bielefelder Philharmoniker zu einer animierenden Umsetzung der vielschichtigen Enescu-Partitur: präzise Instrumentengruppen, brillante Einzel-Instrumente, klar konturierte Dynamik, sensibel für die Eigenständigkeit der Enescu-Chromatik - drei Stunden musikalische Offenbarung!

Das Publikum im voll besetzten neu gestalteten Bielefelder Theater folgt mit hoher Konzentration, bejubelt Solisten, Chor, Orchester und Regieteam mit Begeisterung. Offenbar findet das innovative Konzept der "Neuzeit" im Bielefelder Theater positive Resonanz - innovatives Musiktheater als "Normalfall", nicht als abgehobene Ausnahme. Wunderbar! (frs)


Fotos: © Stutte