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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
(Richard Wagner)
1. Mai 2004 (Premiere,
100 Jahre Theater Bielefeld)

Theater Bielefeld

Points of Honor                      

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Aktuell "bemeistert"

Der Hans Sachs ist ein liebenswerter Zeitgenosse, der unbefangen-offene "Normalo" im etablierten Betrieb der Meister. Aber dieser "Stimme des Volkes" können alle Maßstäbe verrutschen, wenn er im blinden Eifer gegen alles Undeutsche bramabarsierend zu Felde zieht. Die Multikulti-Versammlung auf der Festwiese verlässt den Platz, selbst die Meister sind irritiert, es bleibt die Aussprache Sachs-Beckmesser und man ahnt, wie sie ausgehen wird.

Gregor Horres gelingt mit dem letzten Bild das furios-aktuelle Resümee zum 1. Mai, dem historischen Tag Europas. Zuvor gibt es fünfeinhalb Stunden munteres Theater mit individuellen Charakteren und turbulenten Massenszenen.

Kirsten Dephoffs Bühne verweist auf die Verwobenheit der Zeiten mit mittelalterlichen Bildern, einem klassizistischen Dichter-Denkmal und einem bühnenfüllenden Buch, aus dem die Erinnerungen steigen.

Die Meister sind allesamt präzis gezeichnete Charaktere, auch die "kleinen" Akteure liefern ziselierte Rollenporträts: Ulrich Neuweiler als renitenter Schneider, Lassi Partanen als quirliger Gewürzkrämer usw. usf. Hans Gripentrog gibt einen altväterlichen Pogner, stimmlich sonor. Doch der Hans Sachs Wolfgang Kochs überstrahlt die Szene: eine junge Stimme mit kernigem timbre und großen Möglichkeiten in der Phrasierung. Und Richard Salfer: eine Nicht-Karikatur des Beckmesser, stimmlich ausgewogen, das Minne-Singen durchaus klangschön zelebrierend. Schließlich ein hinreißend agierender und emotional singender David des stupenden Simeon Esper. Die glockenhelle Stimme Melanie Kreuters gibt der Eva mehr Charakter als ihr Agieren. Luca Martin - als indisponiert angekündigt - gibt einen verliebt-zögerlichen, gar nicht stolzen Stolzing. Wieder einmal ist in Bielefeld Singen auf höchstem Niveau zu hören!

Das 70-köpfige Philharmonische Orchester der Stadt Bielefeld beweist unter dem hochaufmerksamem Peter Kuhn, dass es keiner Monster-Orchester bedarf, um Wagner zu spielen. Aus eher breiiger Ouvertüre entsteht im Verlauf des spannend-unterhaltsamen Abends ein differenzierter Orchesterklang mit brillanten Instrumenten-Soli und distanziertem Gestus im sonst so martialischen Finale.

Zur Fest-Premiere anässlich des 100-jährigen Jubiläums des Bielefelder (Bürger-)Theaters bevölkerten zahlreiche theaterungewohnte Honoratioren das Haus - die konservative Ratsmehrheit will ihre Theater-Demontage offenbar durch scheinbare Akzeptanz kaschieren. Man kann gespannt sein, welche Unterstützung das brillante Haus in den Jahren der "Heimatlosigkeit" während des zweijährigen Umbaus erfahren wird - und mit welchen Konditionen der zukünftige Intendant (Regula Gerber geht 2005 nach Mannheim) zu rechnen hat. Am 1. Mai jedenfalls standing ovations in Ostwestfalen. (frs)






Fotos: © Matthias Stutte