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Fakten zur Aufführung 

MARGARETHE
(Charles Gounod)
19. Oktober 2003 (Premiere)

Theater Bielefeld

Points of Honor                      

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Ausgegrenzt

Margarethe in der Putzkolonne, Faust als Looser, haltlos ohne Konzept, Siebel als Lesbe, Mephisto als Zyniker, Inkarnation der allgegenwärtigen Katastrophe; Valentin als brutaler Schläger: Alexander von Pfeil inszeniert ein verstörendes Panoptikum der Ausgegrenzten, lässt seinem obsessiven Verständnis von Realität kalkulierten Lauf, imaginiert die radikale Ausweglosigkeit der gesellschaftlich Nicht-Integrierten - mit einem Schlussakt voll archaischer Wucht, mit irritierender Pointe. Margarethe stirbt nicht, wird auch nicht ins Jenseits geführt, sondern die Heilsarmee nimmt sich ihrer an - das Leben geht weiter, aber ohne zu erwartenden Glanz.

Dieser ingeniösen Absage an mittelalterliche Mythen oder biedermeierliche Schuldkomplexe entspricht die Szene Bernd Damovskys: das triste Ambiente einer bankrotten Firma, wo nur noch die abschließenden Räumungsarbeiten eine Rolle spielen.

Peter Kuhn führt das Philharmonische Orchester Bielefeld mit intensivem Einsatz an die Grenzen der so oft als schmalzig verkannten Gounod-Komposition: mit großen Akten in den elegischen Passagen, aber auch mit der nötigen power in den dramatischen Elementen - das Orchester beweist in allen Instrumentengruppen seine Fähigkeit zu außerordentlicher Souveränität.

Das sängerische Niveau bewegt sich auf höchstem Level: Luca Martins Faust interpretiert einen ambivalenten Charakter mit allen Brüchen, Denis Combe-Chastel präsentiert einen hemmungslos egoistischen Valentin; Cornelie Isenbürger ist eine bedingungslos liebende Freundin Siebel, Alexander Mario-Buhrmeester fasziniert als cooler Mephistopheles mit souveräner Stimmführung und Melanie Kreutner fasziniert mit emotional intensivem Sopran, kristallklar, voller Gefühl und mit einem beispiellos agilen Timbre, dazu der stimmkräftige Hans Gripentrog als Wagner, die brillante Kaja Plessing als Marthe und ein fulminanter Chor (Angela Sleeman) - abgesehen von anfänglichen Problemen im Zusammenhang von Handlung, Spiel, Gesang und Musik. Eine perfektere musikalische Umsetzung der Gounod-Oper ist kaum vorstellbar!

Das von der lokalen Politik gebeutelte Haus ist nicht voll besetzt, die große Mehrheit feiert das großartige Ereignis - am Ende fünfzehn Minuten Applaus für alle Beteiligten, nur wenige Buhs für das Regieteam (von Pfeil schließt offenbar an seine Erfolge in Kiel an, lässt den verquasten "Tristan" in Meiningen vergessen) - doch wenn man im Umfeld einer nörgelnden Band von Provinzheinis deren Stänkereien über die Putzfrauen miterleben musste, dann ist die Hochachtung vor dem Bielefelder Publikum nicht sonderlich groß! (frs)