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SZENEN SINNLICHER KÖRPERLICHKEIT
Die Opernconnaiseurs sind sich im
Klaren: Bergs formale Strukturen sind eine Seite der Lulu, aber der "sinnliche
Laut" bestimmt den Effekt von Handlung und Musik - abseits aller musiktheoretischen
Reflexionen. In diesem Sinn agierte das Bielefelder Orchester unter der
souverän-engagierten Leitung von Peter Kuhn - im hinteren Teil der Bühne
placiert, unter reflektierender Folie mit zauberhaften optischen Effekten
(Bühne: Sandra Meurer).
Gabriele Rech inszenierte die Faszination naiver weiblicher Sexualität,
der zum Opfergang wird. Lulus Liebhaber richten sie schließendlich zugrunde.
Dabei sind beeindruckende Szenen sinnlicher Körperlichkeit zu erleben.
Diesem hochplausiblen Regiekonzept verleiht ein leidenschaftlich agierendes
hochklassig singendes Ensemble zum Erfolg: Diana Amos verkörpert nicht
den männermordenden Vamp, sondern die unwiderstehliche naive Unschuld,
den Bergschen Klang der Sinnlichkeit perfekt vermittelnd. Mit Richard
Salter und Luca Martin interpretieren zwei hochkarätige Sänger-Darsteller
den Dr. Schön (später Jack the Ripper) und seinen Sohn Alwa. Michaela
Lucas ist ein hinreißend intensive Geschwitz und Mojca Vedernjak herrlich
anzuhören als Garderobiere, Gymnasiast und Broom. Rainer Zaun und Hans
Griepentrog überzeugen als Athlet und Theaterdirektor - während mit Franz
Mazura als Schigolch dem gediegenen Bielefelder Haus ein Besetzungserfolg
der Extraklasse gelingt: agiert damit doch der Dr. Schön der Pariser Premiere
von 1979 als authentischer Kenner der Cerha-Vervollständigung auf der
Bühne!
Regie, Orchester, Ensemble beweisen die Spannungskräfte dieser dreiaktigen
Fassung - und das aufnahmebereite Premierenpublikum dankt mit heftigem
Applaus! (frs)
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