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Fakten zur Aufführung 

HANJO
(Toshio Hosokawa)
12. Mai 2007 (Premiere der
dt. szenischen Uraufführung)

Theater Bielefeld

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Auswegloses Warten

Eine aus der Stille kommende Musik – flirrende Streicher, glöckchengleiche Klänge aus dem vielfältigen Schlagwerk, melodiös-tiefe Celli und Bässe mit dumpfen Schlägen der großen Pauke: Toshio Hosokawa entwickelt eine Musik kontemplativer Emotionalität. Vorlage für die Meditation über das Warten ist ein modernes No-Spiel Yukio Mishimas aus den 60er Jahren, in dem es um das Warten der Ex-Geisha Hanako – genannt Hanjo – auf den treulosen Verlobten Yoshio geht – beobachtet, kontrolliert, gedeutet von der Malerin Jitsuko, die Hanjo beschützt und begehrt.

Patrick Schimanski inszeniert das melancholische Spiel der zerstörten Beziehungen als chimärenhaftes Leben nach dem Ende der gelebten Zeit - rätselhaft eingebettet in eine ritualisiert-mobile Realität mit verschwommen subjektiver Wahrnehmung: Warten ohne Wieder-Erkennen, Warten als Lebens-Modus in unendlicher Zeit.

Colin Walker baut dazu einen faszinierend ins Bielefelder Theater integrierten Handlungsraum, verweist mit einem separierenden Hub-Podium, mit transparenten Wandelementen und kargen Wänden mit Neon-Leuchten sowohl auf die japanischen als auch auf die westlichen Zivilisations-Elemente - und eine permanent auf 12.03 Uhr stehen bleibende Uhr vermittelt wie ein Menetekel die unausweichlich abgelaufene Zeit.

Victoria Granlund gibt der Hanjo die zu Herzen gehende Attitüde einer aufs erfüllungslose Warten fixierten Lebenshoffnung, ihr zauberhaft artikulationsreicher Sopran vermittelt mit hoher Intensität die emotionalen Befindlichkeiten einer fast orphischen Existenz. Lien Haegeman gelingt eine ambivalent-eifersüchtige Jitsuko, die auch besitzergreifend-lesbische Motive verkörpert, mit bewundernswert geschmeidigem Mezzo, dem auch die höllischen Wechsel von forciertem Gesang zu gesprochenen Passagen keine Mühe bereitet. Peter Schönes Yoshio beeindruckt durch konstant-deklamatorischen Bariton, gibt dem vergessenen Objekt des Wartens kontrastierende Statur.

Die Bielefelder Statisterie agiert wie in Handkes „Stunde da wir nichts voneinander wussten“ und schafft zeitlupenhafte Eindrücke von verschwommenen Elementen der Erinnerung (Leitung: Susanne Plänitz).

Kevin John Edusei beweist mit den perfekt aufspielenden Bielefelder Philharmonikern die stupende Fähigkeit des Orchesters, komplex-arrangierte Musik authentisch zu vermitteln! Vor allem Hosokawas an Sciarrino erinnernde Verinnerlichung mit zarten Anklängen an östliche Musik gelingt mit außerordentlicher klanglicher Transparenz.

Das äußerst aufmerksame Bielefelder Publikum ist vom ersten aufsteigenden Ton an fast anderthalb Stunden lang gefesselt von den musikalisch, darstellerisch, sängerisch und optisch gebotenen emotionalen Assoziationen und spendet am Ende langanhaltenden bewundernden Applaus für eine Aufführung auf höchstem Niveau! (frs)

PS. Hosokawas repertoirereifes Werk wurde 2004 in Aix-en-Provence uraufgeführt; ihm gilt der letzte Satz in Ulrich Schreibers fünfbändiger „Kunst der Oper“! In Bielefeld steht der sympathische Toshio Hosokawa auf der Bühne und wird herzlich gefeiert!