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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
10. April 2005 (Premiere)

Theater Bielefeld (Oetkerhalle)

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Musik

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Erinnerungen

Das Bielefelder Sänger-Ensemble beweist im akustisch opulenten Konzertsaal Oetkerhalle große Klasse: Cornelie Isenbürgers Marzelline artikuliert seelische Zerrissenheit, die über gängige „Singspiel“-Vorstellungen weit hinaus geht; Hans Griepentrogs Rocco beeindruckt durch einen klangvoll-flexiblen Grundton; der Joaquino Simeon Espers gewinnt kräftig-tenorale Statur; Alexander Vassiliev verleiht dem brutalen Pizarro baritonale Statur; und Michael Bachtadzes Minister hinterlässt einen kompetent-kraftvollen Eindruck.

Die Gäste vergolden den sängerischen Glanz: Norbert Schnittbergs Florestan gerät zu einer intonationssicheren Studie eines emotional gequälten Opfers mit stimmlicher Sicherheit; Kirsten Blanck steigert ihre sängerischen Möglichkeiten gegenüber ihrer letzten Leonore in Dortmund, verleiht der „Heldin“ kämpferische Töne, vermittelt dramatische Höhen liebevolle Lyrismen in emotionaler Intensität.

Getragen wird dieser exzellente Gesang durch ein vorzüglich eingestelltes Orchester: Kevin John Eduseis Debut als Erster Kapellmeister gerät zu einem tief nachdenklichen Gesamtklang, der im Tempo- und Dynamikwechsel ein reflektiertes Beethoven-Verständnis vermittelt, das – mit einigen Einsatz-Patzern – die im Prinzip grandiose Inszenierungs-Idee „rettet“.

Alexander Schulin inszeniert ein Erinnerungsstück: die Witwe Leonore erinnert sich an die dramatischen Szenen. Übernommen wird ein detailliert-interpretierender Text Edward W. Saids, getextet 1998 im Barenboim-Auftrag, zwar engagiert, aber doch zu bedeutungsschwanger, die geniale Musik und den Zwang der Anteilnahme unterbrechend (Helga Uthmann spielt anrührend, spricht hoch einfühlsam). Doch fehlen diesem überwältigenden Konstrukt die zusammenhang-schaffenden Reflexionen; es bleibt vielmehr bei einem Kaleidoskop fast beliebiger Erinnerungsfetzen – am Ende fehlt der transzendierende Effekt: Florestan stirbt – und das stundenlang wartende Auditorium ist perplex – schlicht an „übergroßer Freude“.

Sandra Meurers Stufenlandschaft aus Karteikästen mit eingebauter Schlafzimmer-Szene bleibt Versprechen auf tiefere Bedeutung: Regie und Bühne bleiben Ausspruch und Dekoration.

Das Bielefelder Publikum hat offensichtlich Probleme mit dem Focus der Inszenierung: spielt das eigentliche movens – die Magie der emotional zerrissenen Erinnerungen – im Text des Programmheftes mit amnesty international-Dokumenten und orangefarbenen Gefangenen mit Guantanamo-Assoziationen keine Rolle. Doch werden Orchester und Sänger lautstark vorbehaltlos langanhaltend gefeiert; kaum negative Reaktionen auf die zu kurz gegriffene Szene! (frs)


Fotos: © M. Stutte