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Fakten zur Aufführung 

DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
(Wolfgang A. Mozart)
3. Dezember 2005 (Premiere)

Theater Bielefeld (Oetkerhalle)

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Trendy

Action-Szenen, Sex-approach, Film-Projektionen, flapsige Texte, Comedy-Effekte, Stroboskop-Licht: der Mythos mozartschen Ingeniums wird trendy "verbraten"– die Lacher "Paula Klütenbrinks ausser Senne" (einst eine Bielefelder Karikatur) sind wichtiger als die "Würde" der himmlischen Klänge und die Botschaft der unbesiegbaren Liebe.

Roman Hovenbitzer inszeniert pfiffig situationskomisch, vernachlässigt aber bei allem „anything goes“ die Sinnfrage. Die Paare glotzen am Ende mit Chips versorgt in den allgegenwärtigen Monitor, offenbar als Ergebnis selbst gewählter Lusterfüllung. So what?

Für das exquisite Sängerensemble eine durchaus komplizierte Aufgabe: Im Vordergrund stehen die brillanten darstellerischen Herausforderungen, da ist die sängerische Qualität doppelt herausgefordert – und beides gelingt mit umwerfender Intensität und höchster Emotionalität. Melanie Kreuter brilliert mit allen Möglichkeiten ihres perfekt-ausdrucksstarken Soprans als Konstanze – eine Leistung auf höchstem sänger-darstellerischen Niveau. Mit Jacek Janiszewski agiert und singt ein Osmin mit fulminanter Ausstrahlung, in seiner ihm zugedachten Rolle als Security-Boss souverän, stimmlich voller Kraft und differenzierter Ausdrucksmöglichkeiten. Juhan Tralla gibt einen arrogant-kalkulierenden Belmonte mit sicheren Höhen, aber leicht näselndem Timbre. Der Pedrillo Simeon Espers beeindruckt durch burschikoses Spiel und mit klangreichem Buffo-Tenor. Victoria Granlund ist eine sexy Blonde, agiert nach perfekt persifliertem Comedy-approach und singt leuchtend hell. Zwiespältig Thomas Wolff als Bassa Selim. In den Bewegungen ambivalent, mit den zum Teil platten neuen Texten eher chargierend.

In der weißen „Kammer“ mit verfremdend variierten Vorder- und Rückwänden von Anna Siegrot ergibt sich eine hermetisch-öffnende Einheit der Spielräume – eher putzig als sinnstiftend. Liebe, Treue, Interkulturalität – alles nur ein Spaß in glitzerndem Licht, das kann es nicht sein.

Kevin John Edusei gelingt es mit den konzentriert aufspielenden Bielefelder Philharmonikern, die brachialen Handlungsbrüche der Regie unbeschadet zu überstehen. Trotzdem: das Regiekonzept lässt in einem Comedy-fixierten Durcheinander Sängern und Orchester nicht viel mehr als retardierende Funktionen.

Teile des Bielefelder Publikums goutieren die Gags der Regie mit Schrebergärtner-Lachen (wenn Osmin im Hometrainer ackert, Blonde sich die Bluse aufknöpft), doch die Mehrheit applaudiert den fantastischen Sängern! Das offensichtliche Konzept anbiedernden platten „Humors“ (wie schon bei Rossinis „Viaggio“) führt in eine Sackgasse – da mag das Ensemble noch so locker und entspannt perfekt agieren. Antworten auf Sinnfragen bleiben die Aufgaben des Theaters – und der Respekt vor dem „Mythos des Werks“ (Pilz)! (frs)


Fotos: © Philipp Ottendörfer