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Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss)
16. Oktober 2010 (Premiere)

Theater Bielefeld


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Sehnsucht

Eine scheinbar endloser Laufsteg, der sich als Spirale bis in den Himmel schraubt - Harald B. Thor baut ihn als Symbol für Salomes Träume, Sehnsüchte und Lust. Die Prinzessin hat ein Objekt der Begierde: den Propheten Jochanaan. Auf dem kreisförmigen Steg wandelnd geht sie ihren Fantasien nach. Doch plötzlich bricht dieser Laufsteg ab und seine Spitze hebt sich in unerreichbare Höhen, ein Rest verbleibt auf der Erde.
Bielefelds neue Operndirektorin Helen Malkowsky nutzt diesen Steg wunderbar, um ohne gewaltige Ausbrüche die komplexen Beziehungszusammenhänge in Strauss’ Salome offen zu legen.
Da begegnen ihr die Mutter Herodias, die alles tun würde für Macht und Einfluss. Mit dem Stiefvater Herodes, diesem Emporkömmling, könnte man fast Mitleid haben, sind ihm Königsmantel und Thron sichtbar zu groß und unheimlich. Das Mitleid stirbt jedoch sofort, wenn man sieht, dass der Tetrarch in Wahrheit schlicht und einfach auch nur ein alter, geiler Mann ist - scharf auf seine Stieftochter.
Salome wendet sich einerseits ab, indem sie all ihr Tun wie eine Schlafwandlerin auf Jochanaan ausrichtet. Andererseits hat sie in ihrer Umgebung gelernt, andere Menschen für ihre Ziele zu manipulieren. Sie nutzt den bleichen Narraboth aus (großartig mit schönem, hellem Tenor: Mark Adler), der sie anschmachtet – und nimmt seinen Freitod in Kauf.
Ein Höhepunkt aber ist der Schleiertanz: Salome verbindet Herodes die Augen und führt ihm ihre Mutter zu. Der König hat (unbegriffen) Sex mit seiner eigenen Frau, während die Tochter zusieht – eine atemberaubende, perfekt choreographierte Deutung.
Malkowsky und ihr Team zeigen weitere echte Hingucker: Juden und Nazarener werden durch prunkvolle weiße Kleiderpuppen (Kostüme: Tanja Hofmann) symbolisiert, während sie zusammengepfercht unter dem Laufsteg singen. Packend auch der blinde Jochanaan, der im Schneidersitz mit Narrenkappe dem Herodes unangenehme Wahrheiten entgegenschleudert.
Am Schluss kann Salome der Leere und der Verzweiflung nach dem Tod des Propheten, den sie selbst verursacht hat, nur entgehen, indem sie versucht zu werden wie er - und sich die Augen aussticht.
Mit der Salome macht Malkowsky dem Bielefelder Opernpublikum ein in jeder Hinsicht gelungenes Einstandsgeschenk. Das tut auch der neue Generalmusikdirektor Alexander Kalajdzic, der die Bielefelder Philharmoniker durch Strauss’ großartige, aufpeitschende Partitur führt, dabei schön durchhörbar gestaltet.
Sabine Paßow gelingt eine berückende Darstellung der Salome. Ihr Sopran bietet goldene Tiefe und zarte Höhen. Klug gestaltet sie ihre Partie - und so bleibt ihr genug Kraft für den zehrenden Schluss, den Paßow bewegend ausdeutet.
Albert Bonnemas Herodes ist eine gekonnte Mischung aus Tücke, Angst und Mutlosigkeit. Das alles kann sein Tenor hervorzaubern. Rebecca de Pont Davies gibt die Herodias eher damenhaft zurückhaltend. Mit warmer Mezzostimme stellt sich Melanie Forgeron als Page in Bielefeld vor.
Die kleineren Rollen beeindrucken in der Ausgeglichenheit der Stimmen und rund geformtem Ensemble-Klang – von Torben Jürgens und Daniel Billings als Soldaten über Paata Tsivtsivadze und Jacek Janiszewski als Nazarener bis zum Chor der Juden (Dirk Mestmacher, Krzysztof Gornowicz, Vladimir Lortkipanidze, Patrycy Hauke und Ramon Riemarzik). Sie alle machen ihre Sache perfekt.
Kein Wunder also, dass das Premierenpublikum in großen, voll und ganz berechtigten Jubel ausbrach.

Thomas Hilgemeier










 
Fotos: © Matthias Stutte