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Fakten zur Aufführung 

WIE IM HIMMEL
(Kay Pollack)
1. Mai 2009
(Premiere: 19. April 2009)

Theater Bielefeld


Points of Honor                      

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Gesang

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Bergman light

Es ist wie ein Encounter-Szenario: Der musikbesessene Maestro Daréus kehrt inmitten einer Weltkarriere zurück in sein nordschwedisches Heimatdorf, wird Kantor, erlebt psychische Konflikte im engen Dorfmilieu – kulminierend im Aufeinandertreffen von Charakteren mit verdrängten Traumata im neu entstehenden Chor, bedrängt vor allem durch den dogmatischen Pfarrer. Eine Bergman-Konstellation – aber hier wird alles gut, jeder findet „seine Stimme“, am Ende der mild triumphierende Chor mit versöhnender Botschaft.

Kay Pollack hatte mit seinem Film großen Erfolg, durchaus Bergman-Motive reflektierend – aber ohne dessen depressiv-belastender Intensität, dafür mit differenzierendem Blick auf das Menschlich-Allzumenschliche - und mit populärwissenschaftlich geübtem Blick für die geheimen Wünsche der Menschen nach positiven Lösungen.

Thomas Noack ist mit seinen Kollegen verantwortlich für tontechnisch perfekte Einspielungen von Orchester- und Klavier-Passagen. Patrick Schimanski ist als Komponist und musikalischer Leiter für den musikalisch bestimmten Duktus der bewegenden Abläufe zuständig, wählt Zitate dramaturgisch geschickt aus, variiert schwedische Volksmusik mit souveräner Authentizität (das zu Herzen gehende Värmland-Lied!) und schafft intensiv emotionen-untermalende Piano-Intermezzi.

Das Bielefelder Schauspiel-Ensemble fasziniert durch engagiert-typengerechtes Spiel und zeigt einfühlsame Kompetenz in Sachen Gesang – sowohl im langsam perfektionierenden Chor als auch mit brillantem Solo-Gesang: Thomas Wolff als zerrissen-verantwortungsuchender Daréus, Stefan Imholz als starr prinzipientreuer Pfarrer, Oliver Baierl als aktionistischer Arne, John Wesley Zielmann mit einer ungemein intensiven Studie des Autisten Tore, Therese Berger als zweifelnde Florence, Christina Huckle als verliebte Lena, Carmen Priego als renitente Pfarrersfrau, Thomas Wehling und Harald Gieche als schmerzvoll identitätsfindende Holmfried und Erik, Johannes Quester als brutaler Macho Conny, Nicole Paul als verzweifelt Sinn suchende Siv – und Carolin Soyka als von Conny unterdrückte Gabriella mit einem hinreißend vorgetragenen Solo-Gesang in einem idiomatisch perfektem Schwedisch!

Annette Breuers Bühne besteht aus einer karg-leeren schrägen Bretterfläche, bezieht die Unterbühne mit ein und lässt ein Gardinen-Fenster wie filmische Schnitte absenken – schafft damit eine offene Spielfläche als stimulierenden Kommunikationsraum.

Michael Heicks macht aus dem theatral gefährlich schablonenhaften Konstrukt ein überaus intensives Beziehungsgeflecht, variiert die Aktionen nahezu choreografisch in kollektiven Ballungen, auseinanderstrebend und dann wieder Nähe suchend. Die individuellen Sehnsüchte nach Harmonie werden bewegend deutlich – intensives „Schau“-Spiel mit vorsichtig angedeuteter tieferer Bedeutung.

Das Stück steht in Bielefeld zwölf Mal auf dem Spielplan – alle Vorstellungen sind ausverkauft, zusätzliche Aufführungen sind geplant. Das Publikum folgt dem nachvollziehbar-emotionalisierendem Geschehen mit großer Anteilnahme, goutiert aber vor allem die spektakulären Chor-Szenen und reagiert – jedenfalls im erlebten Umfeld – ansonsten wie beim hauseigenen TV-Empfang: plaudernd beteiligt mit genereller Zustimmung ohne „Tiefgang“. Die künstlerischen Leistungen werden akzeptiert, die Entlastungsfunktion der psychischen Vorgänge mit ihrer glücklichen Lösung wird lustvoll zur Kenntnis genommen: Standing Ovations, Zugaben, viertelstündiger Applaus. Hier ist des Volkes wahrer Himmel (Goethe)! (frs)

 






 
Fotos: Philipp Ottendörfer