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Fakten zur Aufführung 

LA BOHÈME
(Giacomo Puccini)
2. Oktober 2008
(Premiere: 27. September 2008)

Theater Bielefeld


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Eine halbe Oper

Wenn der Intendant oder der Dramaturg vor den geschlossenen Vorhang tritt, bedeutet das meist nichts Gutes. Und wenn dies nach der Pause passiert, noch viel weniger. Entsprechend war die Botschaft, die Uwe Sommer seinem Publikum zu verkünden hatte: Marcello Bedoni habe einen Kreislaufzusammenbruch erlitten und könne nicht weiter singen.

Anders ausgedrückt: ohne Liebhaber keine Bohème, die Vorstellung musste abgebrochen werden. Hier und da sorgenvolle Aufschreie im Publikum, allgemein enttäuschte Gesichter. Aber so ist halt Oper: jeden Abend entsteht sie neu, jeden Abend ist sie anders als am Abend zuvor – und immer quasi „Handarbeit“ mit allem dazugehörigen Risiko.

Nun gut, wie die Inszenierung weitergegangen wäre, konnte man sich nach den erlebten ersten beiden Bildern leicht denken. Regisseurin Birgit Kronshage hält sich an die Hinweise im Libretto, (er)findet keine neue Sicht auf Stoff und Charaktere. Deshalb aber hätte sie - wenn schon, denn schon – noch dichter an ihm dran bleiben können. Dass Rodolfo, Marcello und Colline gescheiterte Typen sind, die in irgend einer Kaschemme am Existenzminimum herumkrebsen, will man nicht so recht glauben. Sie sehen ziemlich gut aus dafür, dass es ihnen schlecht geht. Und wer friert, wirft nicht genüsslich dünne Papierseiten auf eine Kerze, sondern trennt sich von liebgewordenen dicken Büchern, die als Brikett im Ofen landen, auch wenn’s nicht lange hält. Kronshage bemüht sich um Situationskomik, schafft es aber nicht, Figurenkonstellationen zu verdeutlichen.

Zweites Bild: Café Momus im Weihnachtstrubel. So wie man ihn sich vorstellt: mit herumtollenden Kindern, mit aus der Ferne anrückendem Zapfenstreich. Das ist nicht aufregend, weil schon oft gesehen, aber auch nicht schlecht.

Gut an diesem „halben“ Opernabend war vor allem der Gesang, in einem Fall besonders gut: Anett Fritsch als Mimi! Vom ersten Ton an wurde ganz schnell deutlich: diese Sängerin hat Silber in der Stimme, hat Ausstrahlung, verfügt über einen runden, ausgeglichenen Klang und eine schöne, etwas abgedunkelte Färbung. Das Sensationelle dabei: Anett Fritsch ist 22 Jahre alt und studiert „erst“ seit 2004 an der Musikhochschule Leipzig. Also eine Stimme am Anfang der Karriere, die gleichwohl schon jetzt eine sehr reife, rundweg überzeugende Leistung liefert – übrigens auch in schauspielerischer Hinsicht! Keine Frage, dass man von Anett Fritsch in Zukunft hören wird.

Cornelie Isenbürger zeichnet die Musetta als selbstbewusstes, leicht egozentrisches Girl mit quecksilbriger, mitunter etwas spitzer Stimme. Toll ist Meik Schwalm als Maler Marcello. Diesem gibt er stimmlich wie schauspielerisch überzeugende Statur. Michael Bachtadze schlüpft in die Rolle des Musikers Schaunard, Opern-Urgestein Monte Jaffe übernimmt souverän den Hausherrn Benoit und den Alcindoro, auf dessen Geld es Musetta abgesehen hat.

Marcello Bedoni als Rodolfo hat leichte Probleme mit seiner Stimme, die etwas eng und nasal klingt. Mühe bereitet ihm vor allem die Höhe. Da wird gedrückt! Aber womöglich war Bedoni schon von Anfang dieser Bohème-Vorstellung an nicht bei guter gesundheitlicher Kondition.

Gut aufgelegt dagegen zeigte sich das Philharmonische Orchester. Leo Siberski ließ Puccinis Fortissimi durchaus ordentlich krachen, schuf aber auch sehr intime, anrührende Momente wie Mimis „Mi chiamano Mimi“. Da kam sie, die Puccini-Gänsehaut: Anett Fritsch sei Dank!

Christoph Schulte im Walde

 






Fotos: Matthias Stutte