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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
8. April 2009
(Premiere: 4. April 2009)

Deutsche Staatsoper Berlin


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Oper und Deutsches – komisch

„Deutsches Wesen“ im Mittelalter, im 19. Jahrhundert und heute: Stefan Herheim macht gleich in der Anfangsszene klar, wie er die Geschichte sieht. Transparente mit Wörtern wie Komisch, Lustig, Deutsch, Oper werden in unterschiedlicher Kombination von einer heutigen Menge hochgehalten, zugleich werden Marionetten – nach Kleist die perfekteren Menschen – der Lohengrin-Figuren bewegt, die Ober-Marionette Wagner dirigiert und bestimmt Musik und anachronistische Handlung.

Im Verlauf des Abends überlagern sich die deutschen Zeiten – und die Welten karikierter Realität und opernhaft-skurriler Darstellung. Geschichte wird zum Panoptikum, im Mittelpunkt ein Lohengrin wie zu Wagners Zeiten im silberglänzenden Schuppenhemd mit Schwanenhelm. Doch glaube keiner, hier werde mit Mitteln des Kabaretts Geschichte zum Klamauk – im Finale gibt’s keinen „erlösten“ Gottfried, vielmehr steigt Lohengrin in Viktoria-Pose gen (Bühnen-)Himmel, stürzt krachend ab – Wagners Diktum „Kinder, schafft Neues“ als Kommentar auf beherrschender Schrifttafel.

Heike Scheeles phantasievolle Bühne spielt mit den exemplarischen Elementen dieser opernhaften Geschichte – einem monumentalen Gral, gebildet aus spektakulär mit Licht veränderten Tüchern, die im weiteren Verlauf imaginative Räume schaffen; Versatzstücke gigantischer mittelalterlicher Burgen als variable Prospekte; höchst eindrucksvoll-assoziative Accessoires – eine zauberhafte Feder als Symbol des „Schwans“; dazu lustvoll historisierende Kostüme von Gesine Völlm, ergänzt durch sensibel akzentuierende Video-Projektionen von fettFilm, Licht: Olaf Freese.

Daniel Barenboim lässt mit der Staatskapelle Berlin die Klänge aus der absoluten Stille entstehen, setzt aber auch auf knallige Eruptionen (Mark Twain lässt grüßen!) - konfrontiert beseligte Innerlichkeit mit geradezu provozierenden Gewaltausbrüchen; die Staatskapelle folgt diesem Parforce-Ritt durch die emotionalisierenden Wagner-Vorgaben mit differenzierter Transparenz – und begleitet die Sänger mit bewundernswerter Sensibilität!

Klaus Florian Vogt agiert als Lohengrin im historischen Wagner-Duktus – verleiht dem „Retter von Brabant“ mit seinem makellos-hellen Tenor strahlende Aura, singt die Grals-Erzählung mit staunenswerter Souveränität, setzt seine einmaligen Pianissimo-Möglichkeiten herz-bewegend ein! Dorothea Röschmanns Elsa vermittelt Emotionen romantischer Liebe, ihre sensible Tongebung erzielt mit ihrer klanglich ausgedrückten Verletzbarkeit beeindruckende Wirkung! Michaela Schuster korrespondiert mit ihrem bravourös-stimmkräftigen Mezzo als die Ortrud der dunkel-mystischen Welt. Gerd Grochowskis Telramund ist der räsonierende Versager, versieht die Rolle mit zuverlässiger Interpretation und inszenierungs-angemessener Phrasierung. Kwangchul Youn demonstriert seine fundamentalen Bass-Qualitäten als zeiten-übergreifende Führungsfigur des Königs Heinrich; und Markus Brück gibt den Heerrufer in seinen verschiedenen Präsentations-Modi mit differenzierender Stimmgebung . Der Chor der Staatsoper (Leitung: Eberhard Friedrich) agiert akkurat dramaturgie-angemessen, vermittelt szenische Komplexität – und beeindruckt durch überzeugende kollektive Stimmkultur!

In der Lindenoper versammelt sich ein heterogenes internationales Publikum; ob das artifizielle Verweben von Zeit-Ebenen, Oper und Realität, Wagner als Übervater deutscher Mythenbildung überall angekommen ist, lässt sich nicht verbindlich nachvollziehen – aber das szenische Spektakel mit seinen vielfältigen Angeboten fasziniert - und Musik und Gesang werden einhellig bejubelt. Die Atmosphäre in der Staatsoper Unter den Linden ist offensichtlich eine andere, mehr aufs Werk konzentriert, als in anderen Touri-Opern auf dieser event-versessenen (Opern-)Welt! Hoffentlich bleibt das so. (frs)

 










 
Fotos: Karen Stuke