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Fakten zur Aufführung 

ARMIDA
(Christoph Willibald Gluck)
10. April 2009
(Premiere: 5. April 2009)

Komische Oper Berlin


Points of Honor                      

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Gesang

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Liebe und Gefühle

Weiblicher Widerstand gegen die männlich bestimmten Usancen der Geschlechterbeziehungen im 18. Jahrhundert war das Thema der Gluck-Oper - festgemacht an Armida, einer siegreichen Herrscherin, und ihrer widerständigen Beziehung zum besiegten Rinaldo – begleitet von verstärkend kommentierenden Charakteren und allegorischen Figuren. An der Komischen Oper Berlin macht Calixto Bieito – der katalanische Kult-Regisseur – aus der „Reformoper“ ein Sex-Spiel mit den verfremdeten Geschmacklosigkeiten des nächtlichen Trash-TV.

Da schieben sich choreografierte nackte Hinterteile über die Bühne, da wird gerammelt was das Zeug hält, da werden Gefühls-Konflikte zu brutalen Kloppereien, da tobt der Mob und da ist die Pistole das angemessene Instrument zur finalen Entscheidung. Bieito arbeitet sein Repertoire ab, setzt es durch „auf Teufel komm ’raus“ – vergisst dabei die „Liebe“ zu den leidenden Menschen, und reduziert die Emotionen auf Aggressivität und platte Sexualität.

Rebecca Ringst präsentiert zunächst einen die Bühne rahmenden Vorhang mit glitzernden Plastikstreifen, baut dann einen variablen Raum mit industriellen Stahlskeletten und einer begehbaren Passarelle - alles sehr cool und absolut „gefühl-los“, aber ohne jede Imagination. Ingo Krügler hat es relativ leicht – hat ein Kostümbildner bei Nackten wenig Bekleidungs-Probleme, steckt die attraktiven ProtagonistInnen in sexy Outfit.

Caroline Melzer gibt der Armida hinreißend erotischen Ausdruck, ist die selbstbewusste Frau, die sich nicht auf die konventionelle Rollenverteilung in Sachen Liebes-Beziehungen einlassen will; mit ihrem durchsetzungsfähigem Sopran gelingt ihr mit Agilität und beeindruckender Ausdruckskraft eine Charakterstudie mit enormer Glaubwürdigkeit. Peter Lodahl ist ein machohafter Rinaldo mit einem Selbstbewusstsein, das auch liebende Bemühungen um die resistente Armida zulässt; er ist mit seiner voluminösen Stimme in der Lage, diesem ambivalenten Charakter überzeugende Glaubwürdigkeit zu verleihen. Das Ensemble der Komischen Oper präsentiert sich in der Vielfalt der Rollen als großartige Einheit, beeindruckt im Zusammenspiel mit sängerischer Kompetenz. Die „Chorsolisten“ der Komischen Oper Berlin werden ihrem Ruf als homogener Klangkörper gerecht, artikulieren ihre Passagen mit vollem Engagement und umwerfendem Effekt.

Konrad Junghänel bleibt mit dem Orchester der Komischen Oper die nicht einfache Aufgabe, die psychologisierenden Kräfte der Gluck-Musik gegen das aggressive Bühnengeschehen zu behaupten. Das gerät während der ersten Akte zu einer eher harmlosen Hintergrundmusik, steigert sich aber mit wachsender Dramatik zu interpretationssicherer Dynamik, profiliert Flöten und Bläser auf Basis einer exzellenten Streicher-Homogenität, und wird mit beglückender Transparenz zur Erzählung der inneren Prozesse in den Figuren – gibt dem knalligen Bühnengeschehen die eigentliche „Tiefe“.

Das traditionell aufnahmebereite Publikum der Komischen Oper lässt sich durch die szenischen Provokationen nicht erschüttern, weiß offenbar um die Mechanismen der event-orientierten Exaltationen, akzeptiert die cross-media-Avancen, erfreut sich an der lustvollen Sexualität, versteht sich durchaus als „Voyeure“ - aber weiß auch die sängerischen und musikalischen Meriten der Aufführung zu würdigen! Starker, lang anhaltender Applaus für die Protagonisten und das Orchester, strittige Diskussionen über Inszenierungskonzept und erlebtes Bühnenhandeln (das Regieteam ist bei der zweiten Aufführung – natürlich – nicht präsent). (frs)

 






 
Fotos: David Baltzer