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Fakten zur Aufführung 

TURANDOT
(Giacomo Puccini)
15. November 2008
(Premiere: 13. September 2008)

Deutsche Oper Berlin


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Fragment monströser Gewalt

Lorenzo Fioroni kann sich nicht dazu entschließen, Puccinis „Unvollendete“ als Fragment zu präsentieren. Und so endet ein grandioser Opern-Abend mit einem konstruierten Finale: Calaf und Turandot beseitigen ihre Väter, beschreiten weiter den Weg monströser Gewalt. Fioroni hat bis dahin ein erregendes Szenario eruptiver Gewalt auf die Bühne gewuchtet, bewegt Chor und Statisten in stimulierenden Aktionen, zeichnet Gewalt praktizierende, Gewalt erleidende und Gewalt reflektierende Charaktere - geht aber in die Alfano-Falle, und dekonstruiert einen ebenso konstruierten Schluss: Es ist die von Puccini gefürchtete Kopfgeburt eines brutalen Märchens mit improvisiert-martialischem Ende, ohne emotionale Entsprechung.

Paul Zollers Bühne mit kommunikativen Flächen für die großen Massenszenen und einer darüber gestellten Kaiser-Loge ergibt die dramatisierenden Spielräume, elektrisierende Lichteffekte vermitteln aggressive Atmosphäre. Ein Steg mit Unterlicht an der Rampe ist Spielort des gewollt-statischen Finales.

Pinchas Steinberg entwickelt mit dem impulsiv aufspielenden Orchester der Deutschen Oper Berlin ein faszinierendes Klangbild: extreme Dynamik, hochdramatische Crescendi, stimulierende Begleitung von Chor und Solisten ergeben eine Puccini-Präsenz mit selten zu hörender Prägnanz - um dann mit dem Alfano-Schluss wie einer Coda zu enden.

Lise Lindstrom ist eine grandios statuarisch-rächende Turandot, konsequent in ihrer Lebens-Mission, stimmlich voller emotionaler Kraft, mit immensen Ausbrüchen, einer ausdrucksstarken Mittellage – offenbar dramatisch unterfordert in der improvisierenden Schluss-Szene. Marco Berti beeindruckt mit metallisch-flexiblem Tenor als macht-usurpierender Calaf; das Nessun Dorma gelingt ihm mit demonstrativer Strahlkraft, aber auch mit differenzierendem Ausdruck – weitab vom platten Event-Exhibitionismus der TV-Werbung! Inna Los gelingt eine ambivalente Liu – durchaus kämpferisch in ihrer Leidenschaft, aber auch lyrisch im Schmerz. Arutjun Kotchinian ist ein stimmlich kraftvoller Timur, vermittelt die ungebrochene Würde des alten Mannes mit sonorem Bassbariton. Simon Pauly, Burkhard Ulrich und Yosep Kang geben die frustriert-reflektierenden Minister Ping-Pang-Pong subtil agierend, geben den so oft karikierten Figuren stimmlichen Ausdruck in variabler Phrasierung! Und Peter Maus gibt als seniler Altoum mit seinen rollentypisch eingesetzten stimmlichen Variationsmöglichkeiten eine einmalig-imaginierende Charakter-Studie.

Chor, Extrachor, Schöneberger Sängerknaben und Statisterie der Deutschen Oper brillieren in zahllosen Einzel-Rollen, garantieren den atemraubenden Impetus des divergierenden Gewalt-Geschehens - mit bewundernswerter Disziplin im kollektiven Singen (Leiter: William Spaulding).

Das erwartungsvolle Publikum in der voll besetzten Deutschen Oper ist hingerissen von Szene, Musik und Gesang, ist einigermaßen desillusioniert durch das so verkrampfte Finale - bejubelt geradezu frenetisch Sänger und Musiker! (frs)

Hinweis:
Diese Turandot-Produktion ist noch zwei Mal zu erleben: am 29. Juni 2009 und am 2. Juli 2009 - in beiden Aufführungen mit Maria Guleghina in der Titelrolle!

 






Fotos: Bettina Stöß