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Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss)
1. Februar 2009
(Premiere: 5. April 2003)

Deutsche Oper Berlin


Points of Honor                      

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Begehren in der Warenwelt

Achim Freyer setzt das Konzept des (sinnlichen) Begehrens in der Warenwelt mit künstlerisch umfassender Konsequenz um: extrem verfremdendes Bühnenhandeln mit stereotyp verstärkender Gestik; signifikant bunt-animierende Kostüme; eine Bühne mit separierenden „Kammern“ und showähnlicher Spielfläche. Theater wird zur Aufklärung über gesellschaftliche Zustände mit den Mitteln der Bühne! Alle sind sie bewusste Akteure in einem karikierten Prozess permanenter Vermarktung – sie sind nicht Opfer, sondern Protagonisten kollektiver Erwartungen in einer Wegwerfgesellschaft. Der „Rausch des Gewinnstrebens“ wird faszinierend überdeutlich im Umgang Salomes mit dem Jochanaan-Kopf – und ihrer „Erfüllung“ im Verlust aller käuflichen Accessoires. Es gibt offensichtlich eine Hoffnung auf spirituelle Individualität. Grandios, wie Achim Freyer diese Botschaft des Mythos’ realisiert – ohne platte „Aktualisierung“.

Ulf Schirmer setzt mit den bravourös aufspielenden Musikern des Orchesters der Deutschen Oper Berlin auf die unwiderstehliche Sinnlichkeit der Strauss-Musik: Widersprüchlichkeiten der eruptiven Komposition werden zu fulminanten Dissonanzen, Leidenschaften werden zu differenziert-bezwingenden Klang-Inszenierungen, Klangmischungen des wirkungsbewussten Strauss werden zu Aufschreien, zu existenziell-bedeutsamer musikalischer Kommunikation!

Dem Ensemble der 18. Aufführung im sechsten Repertoire-Jahr - offenbar gibt’s wenig Vertrauen in die filigrane Wucht der so genialen Musiktheater-Umsetzung - ist die Ferne zur Premiere deutlich anzumerken. Offenbar sind Clemens Bieber als schematisch agierender Narraboth und die Sänger-Darsteller der vielen „kleinen“ Rollen die einzigen authentisch agierenden „Freyer-Figuren“; ansonsten entziehen sich die Protagonisten dem fordernden Freyer-Ästhetizismus zugunsten quasi-natürlicher Verhaltensmuster. Gesungen wird allerdings auf einem Niveau, das nur als extraordinär bezeichnet werden kann. Chris Merritts Herodes ist ein stimmlich variationsreiches Modell expressiven Gesangs. Hanna Schwarz fasziniert mit hinreißender Sopran-Agilität, gibt der Herodias ambivalente Intensität mit elegant-geschmeidiger Phrasierungskunst. Alan Titus steigert den Fanatismus Jochanaans von Szene zu Szene, setzt seinen voluminösen Bass-Bariton markant ein, interpretiert seine Prophetie mit erschütternder Emotionalität. Schade, dass die Positionierung bei den Off-Passagen akustisch daneben lag.

Clemens Bieber verleiht dem irritierten Narraboth ungemein nachhaltige Statur.

Mit Manuela Uhl wird eine obsessive Salome zur stimmlichen Imagination: Was die intensiv artikulierende Sängerin an stimmlicher Präsenz einsetzt, ist hoch bewundernswert. Kalkulierte Emotionalität, verzweifelt-unbegriffene Leidenschaft, triumphierende Liebe, hoffnungsloses Verglühen - die Sängerin verfügt über faszinierende Möglichkeiten stimmlicher Expressivität, geradezu einschmeichelnd in der Mittellage, dramatisch-fokussiert in den schärfefreien Höhen.

Das Ensemble der Deutschen Oper beeindruckt mit individueller Kompetenz – lässt den Abend zum nachhaltigen Ereignis werden!

Das große Haus ist nicht gerade ausverkauft – man wird den Eindruck nicht los, dass da immer noch die unberechtigte Aversion gegen die Zimmermann-Epoche eine Rolle beim Stamm-Publikum spielt. Doch mit den „Strauss-Wochen“ mag sich da ein Wechsel anbahnen, zumal ein offenbar unbefangenes Publikum nach kurzer Verständnis-Phase atemlos dem „subversiven“ Geschehen folgt, sich auf Achim Freyers Bilder einlässt - und auf Gesang und Musik ohnehin enthusiastisch reagiert. Weitere Aufführungen sind unbedingt zu wünschen! (frs)
 




 
Fotos: Monika Rittershaus