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Fakten zur Aufführung 

DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
(Wolfgang Amadeus Mozart)
7. Juli 2007
(Premiere: 20.6.04)

Komische Oper Berlin

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Gewalt im Puff

Es ist die 27. Aufführung nach der Premiere anno 2004, und immer noch kochen die Aggressionen hoch. Calixto Bieitos rücksichtsloser Angriff auf die Toleranz-Klischees erregt Widerspruch, empört Traditionalisten, verstört Mozart-Fans, lässt unbefangene Zuschauer ratlos werden, erreicht bei filmischen hardcore-freaks aber auch nur ein müdes „so what“.

Den Anmerkungen Alban Nicolai Herbsts ist nichts hinzufügen - es sei denn die Erkenntnis, dass gnadenlose Brutalität in – durchaus moralisierenden – Filmen von Oliver Stone oder David Lynch auf der Bühne nicht zu toppen ist. Das Theater verlangt offenbar nach subtileren Formen der Gewalt-Präsentation, was Bieito in seinen Carmen- und Elektra-Interpretationen andernorts auch gelang. Zudem: Über weite Phasen wirkt die Inszenierung wie eine manische Dokumentation der Zustände in einem außer Kontrolle geratenen Türken-Puff, gesellschaftliche Analogien werden nur bei intensivster Anstrengung erkennbar. Und: Abseits von allen verquasten Diskussionen um den Fetisch „Werktreue“ – hier wird der Mythos einer Oper zertrümmert. Nur weil Mozart Janitscharen-Musik zitiert, von abgeschlagenen Hälsen singen lässt und eine Harems-Situation andeutet, ist die „Entführung“ noch lange keine Oper über den gnadenlosen Kampf der Kulturen.

Musikalisch lässt sich Sebastien Rouland mit dem prachtvollen Orchester der Komischen Oper auf diese ahistorische Brachialität ein und interpretiert einen Mozart, als sei er von Huntingtons Konflikt-Wahn getrieben.

Bewundernswert die darstellerischen Selbstentäußerungen des Ensembles – Sänger sind bei entsprechender Motivation zu hinreißenden Charakterstudien fähig! Und stimmlich geben die großartigen Maria Bengtsson (Konstanze), Eir Inderhoug (Blonde), Peter Lodahl (Belmonte), Christoph Späth (Pedrillo), Andreas Hörl) und die Choristen faszinierende Beispiele emotionalen Singens!

Alfons Flores baut einen gefängnisartigen Puff, trägt damit zum Ausleben von Gewaltphantasien bei und fördert entsprechende kommunikative Reaktionen. Warum - verdammt noch mal - soll ein Zuschauer denn nicht türenknallend das Haus verlassen, oder ein anderer gellend nach „Diskussion“ verlangen?! (frs)


Fotos: © Monika Rittershaus