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Fakten zur Aufführung 

PETER GRIMES
(Benjamin Britten)
1. Mai 2003

Komische Oper Berlin

Points of Honor                      

Musik

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VON INNEN, Außenseitig

Seit dem 27. April steht neben Harry Kupfers gläserner Abschiedsinszenierung von Benjamin Brittens "The Turn of the Screw" der berühmte "Peter Grimes", der dem Komponisten endgültig Ruhm und England die so sehr erträumte Nationaloper brachte, auf dem Spielplan der Komischen Oper Berlin.

Unter der Stabführung Kirill Petrenkos spielt ein durchaus expressiv aufgelegtes, mitunter so wühlendes wie aufwühlendes Orchester diese eigenartige, sperrige Mär eines Außenseiters, der ebenso gern "dazu"gehörte wie ihn ein solches Dazugehören wiederum ekelt.

Tatsächlich gestaltet der verstört wirkende, dabei ebenso leidenschaftlich sprunghafte wie elegische Douglas Nasrawi, der seine falsettierten Leidensklänge geradezu sichtbar aus dem Bauch heraufzieht, die volle und verzweifelte Ambivalenz dieses hochmodernen Opern-Protagonisten ausgesprochen beklemmend. Mitleidsvoll, aber nicht minder verwirrt steht ihm der kräftige Sopran Giselle Allens zur Seite. Überhaupt zeichnet sich das Ensemble durch sängerische Präsenz aus, ob nun Nanco de Vries' Balstrode, Metteo de Montis mit zynischer Diebsfreude ausgespielter Swallow, ob Carsten Sabrowskis sehr räumlich klingender Hobson.

Die Inszenierung ist nahezu "Frauensache", aber das bemerkt man(n) nur selten anhand ohnedies leicht zu übersehender Ideologien, - etwa wenn permanent irgend welche Typen an kleinen Mädchen herumfummeln (wollen). Im übrigen hat Katja Czellnik das eigentlich tragische Geschehen um den groben Grimes von allem Naturalismus freigepustet, es gibt weder gischtende Meereskulissen noch hübsche, farbige Bootchen. Das Meer ist in uns.

Entsprechend gibt sich der von Vera Bonsen gestaltete Raum nahezu geschlossen; er ist ein symbolisches Herzgefängnis für alle, und alle ergehen sich in repetitiven Bewegungsmustern, putzen sich ständig die Schuhe ab (der gesamte, enorm riesig wirkende Bühnenraum ist mit Fußmatten ausgeschlagen; ein Bild, das auch jenseits seiner Symbolik enorme Kraft hat), zappen ins Publikum und lenken sich auf jede nur denkbare Weise von ihrem Unglück ab, auf das sie Peter Grimes teils mutwillig, teils jedoch allein durch seine Gegenwart immer wieder stößt.

Dass die von mir besuchte (zweite) Vorstellung kaum besucht war, mag also nicht nur an dem zu dieser Zeit wundervollen Wetter, sondern vor allem daran gelegen haben, daß man im Zeitalter des Pops nicht mehr gar so gerne unangenehme Wahrheiten über (gesellschaftliche) Gruppen akzeptiert. Doch wer sich dem stellt und überdies gemessen an seinen Erwartungen flexibel ist, wird mit großen Opernmomenten entlohnt. Hier gebührt dem Chor nicht ein Lob, sondern eine - Verbeugung. (anh)