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Fakten zur Aufführung 

MAHAGONNY SONGSPIEL
(Bert Brecht, Kurt Weill)
27. November 2005 (Premiere)

Jüdische Kulturtage Berlin
(Festivalzelt)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Boxkämpfe

Die Premiere des Mahagonny Songspiels eröffnete die 19. Jüdischen Kulturtage Berlin, die in diesem Jahr unter dem Motto „Das Jüdische Berlin der zwanziger Jahre“ stehen. Dominique Horwitz, als Sänger und Schauspieler vor allem durch seine Auseinandersetzung mit Jacques Brel sowie der Dreigroschenoper bekannt, gab sein Regiedebüt und hat gleichzeitig die künstlerische Leitung des Festivals.

Das Mahagonny Songspiel war die erste gemeinsame Arbeit des berühmten Autorenduos Kurt Weill und Bertolt Brecht, die von 1927 bis 1933 eine enge und erfolgreiche Kooperation verband. Mit dem als Anti-Oper konzipierten Stück, das durch Reduzierung menschlicher Werte auf den Konsumbereich die bürgerliche Moral verhöhnt, provozierten Weill und Brecht das konservative Publikum, ernteten aber auch viel überschwänglich positive Kritik.

Horwitz versucht, das Publikum in dem eigens für das Festival aufgestellten Spiegelzelt im Hinterhof der Synagoge in die Atmosphäre der zwanziger Jahre zu entführen. Großen Anteil daran hat Conférencier Thomas Thieme, der das Publikum begrüßt und verspricht, dass am heutigen Abend keine Wünsche offen bleiben werden. Alles würde jedoch direkt abgerechnet werden, in die Separées im hinteren Bereich sollte man unbedingt die Kreditkarte mitnehmen.

Wie von Brecht vorgesehen, findet die Haupthandlung in einem Boxring statt, der in der Mitte des Spiegelzelts aufgebaut ist. Die Faszination für das Boxen als ungehemmter Ausdruck von Gewalt und Aggressivität war zu der Zeit weit verbreitet und gehörte für Brecht zu den Grundbedürfnissen männlichen Vergnügens: Fresse, Lieben, Boxen, Saufen.

Der Conférencier stellt die vier jugendlichen Boxer vor und feuert sie an, hart gegeneinander zu kämpfen, doch eine sportliche Wettkampfstimmung will nicht aufkommen. Das Publikum, zumindest der Premiere, lässt sich nicht aus der Reserve locken. Liegt es daran, dass die Boxkämpfe zu wenig spektakulär sind, vor allem verglichen mit Szenen, die man aus Hollywoodfilmen wie „Ali“ oder „Wie ein wilder Stier“ kennt, um wirklich zu begeistern?

Da das Songspiel alleine nicht länger als eine halbe Stunde dauert, hat Horwitz es mit Musik aus Happy End (1929), der gefloppten Fortsetzung der Dreigroschenoper angereichert, was durchaus keine schlechte Idee ist. Auch die Einführung eines Moderators – bei Brecht nicht vorgesehen – ist durchaus gelungen, doch leider geht Horwitz’ Regiekonzept nicht auf. Nach etwa der Hälfte wird der Conférencier ziemlich unmotiviert zusammengeschlagen und verschwindet von der Bildfläche. Unpassend wirkt ebenso das Einfügen einiger kurzer Szenen jüdischer Diskriminierung, die Handlung wirkt insgesamt nicht ganz nachvollziehbar, teilweise willkürlich.

Musikalisch überzeugend getragen wurde das Songspiel jedoch vom Quillo Ensemble, das unter Leitung von Hans Rotman schmissig im besten Sinne spielte. Das Männerquartett zeigte in den Mittelstimmen einige Schwächen. Hervorzuheben ist Tamara Stern, die eine grandiose Höllenlili gab. Im Alabama Song – weltberühmt nicht zuletzt durch die Version der Doors und in der Aufnahme von Lotte Lenya Weills erster Plattenschlager – wussten Jessie (Monique Krüs) und Bessie (Stern) mit ihrem Verlangen nach Whiskey, pretty boy und little dollar auch sängerisch überaus zu überzeugen. (kaki)