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Fakten zur Aufführung 

KATJA KABANOWA
(Leos Janacek)
8. Juni 2005
(Premiere: 22.1.05)

Staatsoper Unter den Linden (Berlin)

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Das Orchester die Wolga. Und also nimmt sie heim.

Sehr lange sitzt über dem wartenden Orchester, das unter ihr bald dahinfließen wird, Katya Kabanowa auf ihrem Stuhl, aber das Gesicht auf den Schenkeln: - von allem Anfang an in die Enge gebunden, aus der sie kaum je aufsteht – und wenn, dann wie oder ‚wirklich’ im Traum. Und aus der Tiefe hebt sich die Musik.

Nicht aber nur das. Sondern von Bild zu Bild schließt sich das Zimmer, in dem sich der Kabanowas Tragödie vollzieht. Wie in einer bösen Poe’schen Fantasie wird es zunehmend schmaler. Lust gibt es immer nur draußen. Sie wird in Michael Thalheimers Inszenierung nicht gezeigt, sondern immer nur beschworen. In den visionären Ausbrüchen Kabanowas. Und ihrer hinter der Bühne zur Heimlichkeit erniedrigten Leidenschaft, der gleichfalls, wenn sich die Liebenden vor Kabanowas Freitod noch einmal begegnen, nicht nur aufgrund des Ehebruchs etwas Verlogenes Verlorenes eignet… und nicht etwa Katyas, sondern ihres Liebhabers wegen, der, so schön er auch immer singen mag, doch eher den Eindruck eines macht, der möglichst ungeschoren davon will, ja dem die Affäre schließlich sogar peinlich ist.

Das ist einer der beklemmendsten Momente des Abends. Andere schimmern dunkel im Sanges-Quartett oder in Szenen, worin das Orchesterspiel die Protagonisten momentlang wie unbeachtet lässt: Bis auf ihre Seelen nackt stehen dann die handelnden Menschen da, die gehandelten Menschen. Und der Fluss zieht an ihnen – ergeben – vorbei.

Es ist ein Wagnerscher Gedanke, den Thalheimer hier umsetzt: Insofern Wasser immer schon für Seele stand, wird sie zum Orchester. Es fließt selbstverständlich der Klang. Alles Sukzession. Schon wird das Fließen des Orchesterstroms zur Wolga. Auch das von Anfang an, aber du hörst es nicht gleich.

Nur dem Fluss ist Hoffnung erlaubt. Nur er nämlich ist außen. Alles andere - Park Garten Kluft selbst noch der Wolgastrand – hat Thalheimers Bühnenbildner Olaf Altmann nach innen verlegt – es sind pressgedruckte Blumen, nur noch Tapeten erinnern ans Draußen. Spießig und lieblos das Zimmer. Indem sich nun die Wand immer noch weiter zum Orchstergraben hin verschiebt, auch der seelische Raum nur noch nach Luft ringen kann, so dass den hier kaum überzeichneten Akteuren schließlich kein Platz mehr auf der Bühne bleibt und alle, nur die Kabanowa kann es nicht, auf die Seitenlogen ausweichen müssen, wischt sie im Wortsinn die an ihrer moralischen Innenverpflichtung liebeskranke Heldin ins Wasser. Katya muss eigentlich gar nicht mehr springen, um zu ertrinken.

Wie Thalheimer das umsetzt, mag nicht verraten sein; es ist ein, kann man sagen, bühnentechnischer Gag – doch funktioniert er, da er neu ist. Er hat sogar genau die Schönheit, die der Kabanowa in ihrer engen tabuisierten Welt so fehlt – wenn wir einmal zugestehen wollen, dass Schönheit die leuchtende Oberfläche von Liebe sei. Da lässt einen, dass die Schwiegermutter nach der Kabanowas Tod & Verschwinden zum Publikum sprechen kann: „Ich danke euch, ich danke euch, ihr guten Leute, für die Hilfsbereitschaft ”, ganz beklommen in den schlussdunklen Bühnenraum starren. Als wäre man gemeint. Und ist es vielleicht auch. Zumal und weil doch die Schönheit so schnell wieder verschwand. Und mit ihr Kabanowas träumende und sich in zweierlei Verständnis vergehende - vergangene - Hoffnung. (anh)


Fotos: © Monika Rittershaus