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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
17. März 2008
(Premiere: 13. März 2008)

Berlin International Opera


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Oper pur

Eine Opernbühne sieht üblicherweise anders aus. Wir sind in der HomeBase Lounge, einem mittelgroßen Partyraum am Rande des Potsdamer Platzes, an den beiden Seiten, dem langgezogenen Bar-Tresen gegenüber, sind etwas erhöht jeweils fünf Zuschauer-Reihen aufgebaut und dazwischen, im Geviert der die Decke tragenden Pfeiler ist... nichts, die imaginäre Spielfläche für Verdis Shakespeare-Oper „Macbeth“. Kein Orchester, kein Bühnenbild, lediglich ein Klavier, ein paar hin- und herschiebbare Podestsegmente und eine begeisterungsfähige Truppe meist jüngerer professioneller Sängerinnen und Sänger. Oper pur nennen sie ihr Konzept, unter dem Markennamen „Berlin International Opera“ haben sie sich zusammengefunden.

Das Spiel beginnt. Der Auftritt der schwarzgekleideten Hexen, die den beiden schottischen Feldherren Macbeth und Banquo die Zukunft weissagen und damit bei Macbeth und seiner Lady das unheilvolle, mörderische Treiben um des vermeintlichen Königsthrones willen in Gang setzen. Und es funktioniert, man ist des Nachts im schottischen Hochland, erschrickt zunächst etwas über die Lautstärke eines profunden Basses oder eines dramatischen Soprans fünf Meter neben einem, aber man ist gefangen, ist im Spiel, lässt sich mitreißen von der abgrundtief bösen Handlung und Verdis Tönen, auch wenn statt des großen Orchesterapparats nur das Klavier erklingt. Erstaunlich, wie wenig äußeren Aufwands es bedarf, um Opern-Wirkung zu erzielen. Ein paar Scheinwerfer von der Decke, fest montiert, aber mit einprogrammierten Beleuchtungsschritten, einfache, aber sinnfällige und stimmige Kostüme (im mörderischen Getümmel trägt man einen tarnfarbenen Kampfanzug, beim Bankett die Admirals-Gala-Uniform, die Lady das lange Schwarze mit Nerzstola) und ein paar Requisiten (Dolch, Pistole, Zauberkugel, Sektgläser) - das ist alles, um die Illusion des Gemetzels, der Festtafel mit der Geist-Erscheinung Banquos oder die dem Wahnsinn nahe Lady Macbeth in ihrem Schloss zu erleben. Ganz professionell wiederum wird auf italienisch gesungen mit gut lesbaren Übertiteln über den beiden Zuschauerblöcken.

Dass dieses sicher auch der (Finanz-)Not geschuldete minimalistische Konzept aufgeht, hat auch und vor allem mit der Inszenierung und Personenführung des Haitianers Jean-Ronald LaFond zu tun, der den Macbeth auch selbst singt. Auf dieser nüchternen und fast nackten fünf mal fünf Meter großen Spielfläche muss alles von den Darstellern kommen, äußere Hilfen gibt es nicht. Und sie überzeugen mit nicht nur engagiertem, sondern durchweg intensivem hautnahen Spiel. Das kommt an, das hat was. Das gilt für die Soloszenen, die Ensembles als auch die kraftvollen Choreinsätze. Die Lady sang Rachel von Hindman mit ihrem vollen dramatischen Sopran, den sehr stimmschönen Banquo gab Thorsten Oliver Huth. Am Klavier hielt die Japanerin Kanako Nakagawa das Ganze musikalisch überzeugend zusammen, um so mehr, als dass die Sänger jeweils ohne Einsatz-Zeichen eines Dirigenten auskommen müssen und die Stimmen nicht von einem breiten Orchesterteppich mitgetragen werden. Kräftiger Beifall für alle.

Berlin braucht sicherlich nicht ein viertes Opernhaus. Und immer Oper pur ohne Orchester wäre auch nicht gut. Aber diese gelegentliche Alternative an ungewohnten Orten zum Beispiel zu den österlichen Festtagen der Staatsoper mit ihren Repertoirevorstellungen zu Festivalpreisen ist ein Gewinn für die Berliner Opernszene. Ob allerdings damit auch ein neues, unbefangenes Publikum erschlossen werden kann, wie es sich die Berlin International Opera erhofft, muss sich erst noch erweisen. Auch Oper pur in der Party-Lounge bleibt eben Oper und ist nicht Rock oder Pop.

Axel Göritz

 

 




Fotos: David Heerde