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Fakten zur Aufführung 

Orpheus und Eurydike
(Joseph Haydn)
21. November 2008
(Premiere: 14. November 2008)

Bode-Museum Berlin


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Orpheus und Eurydike - von Haydn!

Nach der „Zauberflöte in der U-Bahn“ nun „Orpheus und Eurydike“ im Bode-Museum in Berlin. Christoph Hagel, spiritus rector der privaten Opernproduktion, liebt die ausgefallenen, ungewöhnlichen Orte. Und dieses Mal auch die besondere Musik. Denn nicht den Orpheus von Christoph Willibald Gluck mit seinem Ohrwurm Ach ich habe sie verloren, sondern die recht unbekannte gleichnamige letzte Oper von Joseph Haydn aus dem Jahr 1791, uraufgeführt erst 1951, brachte er nun als Berliner Erstaufführung in den klassizistischen Museumstempel.


Ein Laufsteg in der Mitte der sogenannten Basilika, links und rechts davon die Zuschauerreihen, ersetzt die naturgemäß nicht vorhandene Bühne. Darauf lässt Regisseur und Dirigent Hagel ein recht künstliches, reduziertes Spiel mit einer Mischung aus klassischem Ballett, modernem Tanz, Akrobatik und gesprochenen Texten in Gang setzen. Die Darsteller tragen alle weiße Kostüme, das Licht kommt auch fast nur weiß aus den Scheinwerfern - Gefühle wollen in dieser Kunstwelt nur schwer aufkommen. Andererseits: diese abstrakte, bewusst stilisierte Inszenierung hat durchaus ihre ästhetischen Schau-Reize. Ob dazu allerdings noch die lebende Schlange nötig war, die der Todes-Tänzer Eurydike um den Hals legt, auf dass sie, von dieser gebissen, tot zusammenbricht, mag denn doch dahingestellt bleiben. Die Gedanken befassen sich eher damit, wie bewundernswert Eurydike trotz der sie leibhaftig umschlingenden Schlange ihre Arie zu Ende singt.

Eher unerwartet gut, ja faszinierend nehmen sich in diesem Rahmen die Breakdance-Einlagen von Manu Laude aus, eher etwas altbacken wirken demgegenüber die Choreographien (Sabina Ferenc) für die Frauen im Stil des traditionellen Ausdruckstanzes. Und ob es dann auch noch der Akrobatik und der Jonglier-Nummer bedurfte, um Musik und Gesang anzureichern, darf bezweifelt werden. Vielleicht aber hat Christoph Hagel, abgesehen von den bewusst eingesetzten Show-Elementen, der Tragfähigkeit von Haydns Musik nicht richtig getraut.

So problematisch Vergleiche auch sein mögen, bei einer Orpheus-Oper kommt man um Gluck nicht herum - seine Komposition ist reicher, geht tiefer, ergreift mehr als die Vertonung des antiken Stoffes durch Haydn. Der Grundkonflikt, die Bedingung des Nicht-Umschauen-Dürfens von Orpheus, als er seine Eurydike wieder in die Welt der Lebenden führt, ist bei Haydn musikalisch fast verschenkt. Über zwei Akte lang wird die Vorgeschichte mit dem Tod Eurydikes erzählt, erst im dritten Akt wird Orpheus in der Unterwelt als Sprechtext die Bedingung für Eurydikes neues Leben genannt und schon kurz darauf, ohne dramatische Steigerung oder Ausarbeitung, dreht er sich auch schon um und hat damit alles verwirkt. Das ist etwas wenig für einen der großen Stoffe der abendländischen Literatur.

Mit dieser doch nicht immer überzeugenden musikalischen Vorlage und der Künstlichkeit der Inszenierung hatte auch das junge Solistenensemble zu kämpfen. Mit einem etwas lebhafteren, nicht so statuarischen Spiel, das den Ausdruck fast nur über die Stimme erzielt, wäre noch mehr möglich gewesen. Dennoch, alle Rollen waren stückgerecht besetzt, allen voran der Orpheus von Alexander Geller mit seinem in der Substanz guten, ausbaufähigen Tenor und die Eurydike von Carola Reichenbach mit ihrem eher tiefen, vollen Sopran. Die Rolle des Creonte wurde vom Bariton Christian Oldenburg verkörpert, spontanen Applaus erzielte Darlene Ann Dobisch mit ihrer dramatischen Koloraturarie der Genio. Als Dirigent der Berliner Symphoniker setzte Hagel deutlich dynamischere Zeichen denn als Inszenator. Das Orchester wusste mit präzisem, differenzierten Spiel zu beeindrucken.

Das aufmerksame Publikum verfolgte das Geschehen ohne Rascheln und Hüsteln. Großer, einhelliger Beifall. Man mag über die Sinnhaftigkeit oder gar Notwendigkeit von Oper im Museum, zumal wenn sie wie hier bewusst auch auf den „Event“-Charakter setzt, streiten - ein zumindest teilweise neues, jüngeres Publikum als im Zauberflöten-Abo des Stadt- oder Staatstheaters konnte hier zweifellos gewonnen werden. Wenn diese Zuschauer dann auch noch den Weg in die etablierten Bühnen finden, wäre das nicht der schlechteste Erfolg dieser freien Opernproduktion.

Axel Göritz