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Fakten zur Aufführung 

DER FALL RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi/Etta Scollo)
29. Dezember 2009
(Uraufführung: 22. Oktober 2009)

Neuköllner Oper Berlin


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Vatikan-Connection

Am 22. Juni 1983 wird die jugendliche Emanuela Orlandi in Rom entführt, missbraucht und ermordet. Spuren verweisen in die internen Strukturen des Vatikan. Bernhard Glocksin entwickelt eine Geschichte, die Verdis Rigoletto assoziiert – allerdings im langatmigen Prolog eine viel zu verwickelte Verschwörungstheorie entfaltet, anstatt direkt medias in res zu gehen, den amoralischen Sumpf der Vatikan-Camarilla mit ihren Intrigen, Obsessionen und Verbindungen zur Mafia mit der hemmungslosen Gesellschaft am Hof von Mantua zur Renaissance-Zeit zu parallelisieren.

Faszinierend allerdings, wie sich die Erzählebenen – Kriminal-Fall Vatikan, Gildas Leiden – verzahnen, ohne zur platten Analogie zu werden.

Verdis Musik wird verfremdend interpretiert von einer Banda mit Flöte, Klarinette, Trompete, Posaune, Tuba und Klavier – genregerecht geleitet von Hans-Peter Kirchberg – dazu canzones von Etta Scollo, erklärende und kommentierende Gesangs-Passagen im Stil des Chors der griechischen Tragödie.

Helmut Topp reduziert die Bühne auf eine offene, breite Handlungsfläche mit zwei tragenden Säulen vor einem martialischen Tor, hinter dem sich die Zentrale alles Unheils befindet – dazu ein Gilda-Cabinet und eine multifunktionale Bar: einfach, aber hoch kommunikativ!

Für die Akteure in ihren Rollen als Vatikan-Gestalten bzw. als Verdi-Figuren ergeben sich vielfältige Anforderungen an Darstellung und Gesang, von Bernhard Glocksin variabel in Szene gesetzt: Constanze Morelle gibt dem Opfer der latenten Begierde jugendliche Unschuld, singt die Gilda-Vorlagen Verdis mit unverbrauchter Natürlichkeit; Volker Briesemeister gibt dem Vatikan-Angestellten Orlandi intensive Gestalt als Vater der gefährdeten Tochter – ein Rigoletto mit stimmlichen Näherungen an die große Vorlage. Tobias Hagge, Dejan Brkic und Lars Grünwoldt vertreten die Vatikan-Funktionäre in intriganter Intensität, singen ihre wechselnden Verdi-Rollen mit stimmlichem Engagement; Kristina Jean Hays gibt der Sabrina Minardi – parallel zur Maddalena – erotischen thrill, präsentiert einen ausdrucksvollen Mezzo. Egill Arni Palsson brilliert mit prima Tenor-Präsentation als imaginäre Figur, übernimmt die fiktive Funktion des liebestollen Herzogs. Mit Bianca Iannuzzi ist eine außerordentlich bemerkenswerte Stimme als begleitende Kommentatorin der irrsinnig-obsessiven Verfolgung der Emanuela Orlandi zu hören – sicherlich die bestimmende vokale Instanz des emotionalisierenden Geschehens.

In der so kommunikativ-dichten Neuköllner Oper versammelt sich ein motiviertes Publikum – offenbar nicht nur Gäste aus der Neuköllner Nachbarschaft – und verfolgt das vielschichtige Geschehen mit großer Spannung: intensive Zustimmung am Schluss – ein Treffer für die Neuköllner Oper!

Franz R. Stuke

 





Fotos © Matthias Heyde