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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
30. Mai 2010 (Premiere)

Deutsche Oper Berlin


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Klug und präzise betonte Bezüge

In was für ein Zypern ist Otello da heimgekehrt? Es ist ein einziges großes Flüchtlingslager, ein Elendsquartier für die Abgestiegenen, die Verlorenen der Gesellschaft. Es ist aber auch grandioses Vorzeichen von Otellos eigenem Elend, Vorzeichen seines Abstiegs in ein Netz aus Rache und Wahn, welches letztlich ihn und Desdemona Liebe, Ruhm und das eigene Leben kosten wird.
Es ist also ein Abend der Vorzeichen, der klug und präzise betonten Bezüge. Da steht die musikalische Leitung von Patrick Summers der Regie von Andreas Kriegenburg in nichts nach. Wenn dies dann noch auf eine starke gesangliche Leistung trifft, dann darf man wahrlich von einem großen Abend sprechen.
Allen voran zog Anja Harteros als Desdemona das Berliner Publikum in ihren Bann. Ihr Sopran hat bei eindringlicher Intensität und Nuancenreichtum die nötige Strahlkraft, sich gegen das Orchester der Deutschen Oper zu behaupten. Gleichfalls besticht José Cura in der Titelrolle mit vollendetem Ausdruck. Er überzeugt als ein sich aufbäumender, doch letztlich hilfloser Spielball des glasklar artikulierenden und mit müheloser Leichtigkeit singenden Einflüsterers Zeljko Lucic alias Jago.
Grandios auch der Chor, der bis hin zum Kinderchor stimmlich messerscharf abgestimmt und sehr beweglich agiert. Dabei sorgen die Besonderheiten des Bühnenbildes für einen ganz besonderen Klang: Bis an die Decke der Bühne reihen sich Schlafkojen, aus denen die vertikal liegenden Chormitglieder singen. Ein beeindruckendes Erlebnis, welches allein den Abend lohnen würde.
Das Bühnenbild von Harald Thor ist aber noch viel mehr. Zusammen mit der genau durchdachten Regie stellt es die Personen des Dramas ganz in den Vordergrund. Oft stehen sie inmitten des gewaltigen Raumes, doch sie wirken wie unter dem Mikroskop – oder sollte man Brennglas sagen? In all dem Trubel der actionreichen Handlung bleiben sie stets allein in ihrer Not, ihrer Gier, ihrem Wahn. Subtile Zeichen kündigen ihr Schicksal an. Da regnet es zerknülltes Papier auf Cassio, als dieser als erster stürzt – offenbar ein Verweis auf das später fallende Taschentuch. Auch wie Otello das Taschentuch schließlich zerreißt und zu einer Schnur verknotet, hallt lange nach, wird es doch zu einer Schnur, die zunächst seine eigenen und anschließend Desdemonas Hände fesselt. Und letztlich wird auch in Desdemonas Kleid nichts anderes als ein großes Taschentuch erkennbar.
Zu diesem Strudel, in den Regie und Bühne die Protagonisten tiefer und tiefer ziehen, trägt das Orchester der Deutschen Oper das seinige bei: Anfangs ein wenig zu forciert, findet es doch bald zu einem ebenso pathetischen wie schwungvollen Klang, der die atemberaubenden Kapriolen der Verdischen Partitur spielend durchmisst.
Am Ende feierte das Premierenpublikum zu Recht eine großartige Ensembleleistung.

Andreas Pagiela

 





Foto: Barbara Aumüller im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN