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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
19. März 2008
(Premiere: 13. Februar 1993)

Deutsche Oper Berlin


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Klassen-Auflösung, Liebes-Glück

Es sind zwei Szenen, die für die Erinnerung – szenisch, musikalisch, darstellerisch, gesanglich, emotional – unauslöschlich bleiben: Sophie und Octavian in jugendlich-unbegriffener Liebe nach dem Eklat; die Marschallin, Sophie und Octavian in Abschied und Traum. Was Elina Garanca an stimulierenden Differenzierungen einer jungen Frau, die einen Jüngling spielt und singt, der wiederum die Empfindungen eines pubertierenden Mädchens vermittelt, das ist derart bewegend wohl noch nie ausgedrückt worden! Aber ohne die authentische Interpretation der harmlos-ahnenden Sophie bliebe der Octavian ein bloß-gefühliges Konstrukt: Christine Schäfer ist dieses jung-unerfahrene, emotional reagierende Mädchen mit bewegender Kraft: Normen durchbrechend, emotional sicher geleitet. Und die Marschallin, selbst Opfer der feudalen erzwungenen Heiraten, findet in Michaela Kaune eine schmerzlich verzichtende Frau. Das alles an Gefühlen und Lebensentscheidungen, an archetypisch-existenziellen Seelenkräften, vermitteln die Sänger-Darstellerinnen mit intensiv-leidenschaftlichem Spiel – und mit stimmlicher Ausdruckskunst, die mit ihren strömenden Legati, den leuchtenden Höhen, den perfekten Registerwechseln und emotional fokussierender Phrasierung, Gefühlsausbrüche im Publikum freisetzt, die weit ab sind vom Geblöke der manischen Stimmfetischisten.

Peter Rose ist als Ochs ein selbstbewusstes Fossil einer untergehenden Epoche – unreflektiert standesbewusst agierend, stimmlich souverän variabel ausdrucksstark, beeindruckend in Volumen und variantenreichem Interpretationsreichtum. Die Leitmetzerin findet in Stephanie Weiss glaubwürdige Statur, Julia Benzinger und Torsten Hofmann überzeugen als Valzacchi und Annina – und Markus Brück ist ein Faninal mit enormer Bühnenpräsenz, darstellerischer Prägnanz und stupender Nutzung der szenisch gebotenen Präsenz seines kraftvoll-ausdrucksvollen Baritons. Yosep Kang gibt einen stimmkräftigen Sänger – und die Komprimarii fungieren in großartiger Individualität, so wie die im Besetzungszettel nicht genannten Kinder ihren Beitrag zur komplexen Konzeption beitragen

Götz Friedrich hat 1993 inszeniert – es geht um den Absturz eines Systems feudaler Normen , exemplifiziert an den Schicksalen konkreter Identifikationsfiguren. Und das beeindruckt auch noch nach fünfzehn Jahren, ist ein flammendes Plädoyer für menschliche Gefühle zu Zeiten zerbrechender gesellschaftlicher Strukturen.

Gottfried Pilz baut mit diagonal geteilter Bühne, trennenden Vorhängen, reduzierten Requisiten und sich öffnenden Räumen die Flächen für Abstand und Näherung, erfindet überraschende Effekte für die Beisel-Szene; und schafft das historisch wechselnd abstrakte Ambiente für die dysfunktional-kommunikativen Abläufe als handlungsorientierte Räume.

Das Orchester der Deutschen Oper Berlin musiziert mit vollem Elan, Philippe Auguin gelingt eine emotional fokussierte Interpretation – die lyrischen Passagen betonend, auf innovative Strauss-Deutungen verzichtend, aber dafür mit fulminantem Einfühlungsvermögen für die elementaren Ausdrucksmöglichkeiten – besänftigende Streicher, auftrumpfende Bläser, hämmerndes Schlagwerk - und das alles transparent, in Abstimmung mit dem Regiekonzept und in fantastischer Balance von Graben und Bühne!

Voll besetzt die Deutsche Oper an der Bismarckstraße, intensiv folgend das Publikum, begeisterter Beifall - doch es fehlt der Kern der Kundigen, der die Atmosphäre bestimmt und kommunikativ stimuliert: Die legendären aggressiven „Rabauken“ haben offensichtlich keine Nachfolger – dabei wäre doch Leidenschaft im Publikum so wichtig, damit „Musiktheater“ in der so lausigen Gesellschaft ankommt. (frs)