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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
Richard Wagner
13. August 2009
(Premiere: 26. Juli 2005;
Wiederaufnahme: 25. Juli 2009)

Bayreuther Festspiele 2009


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Das unausweichliche Ende

Christoph Marthalers resignativer Tristan von 2005 (!) entwickelt auch im fünften Jahr einen nahezu morbiden Sog der Unausweichlichkeit des Untergangs – mit Karl Kraus formuliert „Die letzten Tage der Menschheit“. Das beginnt in lähmender Langsamkeit, verzichtet auf orgiastische Liebesszenen, endet in einer geradezu hymnischen Apotheose des Untergangs - fünf Stunden gespanntes Warten auf den finalen Untergang. Marthaler konterkariert nicht nur die Wagner-Wesendonck-Legende, vermittelt vielmehr – in Übereinstimmung mit den musikalischen Vorgaben – ein nahezu eschatologisches Weltbild, die so komplex-persönliche Liebesgeschichte von Isolde und Tristan radikal auf die erschütternde Botschaft reduzierend. Anna-Sophie Mahler leitet das Spiel, führt das Ensemble zu intensivem Bühnenhandeln, betont die Distanzierungen, erreicht eine ungemein dichte Atmosphäre der Ausweglosigkeit.

Anna Viebrocks Bühne mit den skizziert-verwesenden Elementen bürgerlichen Hausens schafft imaginationsstimulierende Räume, verweist auf die Dekadenz einer ehemals selbstbewussten Epoche, zeigt mit Wänden und Türen die starren (Un-)Möglichkeiten freien Handelns. Mit geradezu zarten Hinweisen werden die Räume der Geschichte angedeutet – das Schiff, das Schloss, Kareol.

Peter Schneider leitet das Festspielorchester zu einem geradezu behutsamen Klang, verzichtet auf exaltierte Eruptionen, vermeidet jeglichen Schwulst – erzeugt einen bisweilen lähmenden Duktus, vermag erst im Finale innere Spannung zu vermitteln - das allerdings in einer Intensität, die an die filmische suspense-Dramaturgie Hitchcocks mit ihren fulminanten Lösungen erinnert!

Das Sänger-Ensemble ist grandios auf die inszenatorische und musikalische Konzeption eingestellt: Irene Theorin spielt eine wissend-sterbende Isolde mit enormer Intensität, beginnt mit eher scharfen Höhen und flacher Intonation, steigert sich zu einem „Liebestod“ mit bezwingender Leidenschaft und emotionalisierender Nuancierung, hinreißend im Aufgehen in die Unendlichkeit des Endens. Robert Dean Smith ist als Tristan nicht der an die Grenzen gehende „Heldentenor“, er legt die Rolle nicht „ökonomisch“ an, sondern singt einen emphatisch-leidenden Tristan – vertraut auf sein weiches Timbre, wirkt auch im dritten Akt nicht angestrengt, bleibt auch in dieser strapaziösen Dreiviertelstunde mit gestaltender Mittellage und konstanter Stimmkraft dem eher „lyrischen“ Konzept treu. Michelle Breedts Brangäne überzeugt durch ihr variantenreiches Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten, wirkt aber im Folgenden wenig steigerungsfähig, ihre Rufe verhallen im orchestralen Gesamtklang. Jukka Rasilainens Kurwenal überzeugt mit kernigem Timbre, bleibt szenisch aber irrelevant – so wie Robert Holl mit sonorer Stimme dem Marke wenig Individualität zu entlocken vermag. Mit Ralf Lukas als Melot, Arnold Bezuyen als Hirt, Martin Snell als Steuermann und Clemens Bieber als Seemann sind Sänger höchster Kompetenz zu hören – so wie der Chor (Leitung Eberhard Friedrich) ungemein musikalisch seine Aufgaben erfüllt!

Die Atmosphäre auf dem legendären Grünen Hügel ist festspielgerecht – doch gibt es kleine Alarmsignale: da wird zuviel gehustet (ein notorischer Würger terrorisiert während des ersten Akts von der 23. Reihe links aus das Haus), da wird am Schluss zu früh applaudiert, da sind ein paar Touri-Fotografen zuviel im Auditorium – und da wird in den langen Pausen zu wenig über das Erlebte diskutiert. Bayreuth auf dem Weg zum beliebigen Event-Festival?!

Eine Neuerung: Es gibt nicht mehr das Festspielbuch, sondern ein „Programmheft“ für jede Oper. In diesem Fall gestaltet von der Uni Bayreuth, die sich darstellt als Uni, in der „Wagner Musiktheater in seinen geschichtlichen und aktuellen Dimensionen so umfassend (hätte) studieren (können) wie nirgend sonst.“ Anno Mungen ist verantwortlich für diesen unakademischen Schmock – und für das konventionell-ideenlose Programmheft. Da gibt es nicht einmal einen Besetzungszettel, aber dafür die überwunden geglaubte Sammlung von x-beliebigen Funden in der Literatur zum Tristan. Schrott auf Hochglanz!
Franz R. Stuke

 




 Fotos: © Bayreuther Festspiele