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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER
VON NÜRNBERG

(Richard Wagner)
16. August 2007
(Premiere: 27.7.07)

Bayreuther Festspiele
(Festspielhaus)

Points of Honor                      

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Kein schlechter Ansatz

Katharina Wagner liefert in Bayreuth einen überzeugenden ersten Akt der „Meistersinger“. In genau jenen Talaren, unter denen der Muff von tausend Jahren steckt, lässt die Regisseurin jene Kaste von Männern aufziehen, die sich dem wahren Meistergesang verschrieben haben. Schön nach den alten Regeln der Kunst soll und muss es abgehen. Nur einer ist nicht mehr ganz damit einverstanden: Schuster Hans Sachs. Der hat keinen Kaftan an wie seine Kollegen, trägt noch nicht einmal Schuhe! Sachs hat nicht mehr viel zu schaffen mit dem Überkommenen, den hohl gewordenen Ritualen, den verkrusteten Strukturen, denen hier in dieser Kunstakademie noch immer gefrönt wird. Insofern kommt Walther von Stolzing gerade recht. Der mischt den verstaubten Laden ordentlich auf, geht respektlos durch alle Zimmer der Akademie (keine der Künste ist vor ihm sicher) – und erblickt Eva. Eine Göre, in die er sich schnell verguckt. Und sie sich in ihn!

Katharina Wagner und ihr Bühnenbildner Tilo Steffens finden klare, deutliche Bilder, sie zeigen die zwei entgegengesetzten Welten, personifiziert in Hans Sachs und Stolzing auf der einen, Sixtus Beckmesser auf der anderen Seite. Dieser Beckmesser! Ein Eiferer, ein Besessener, ein Unsymp, dem Sachs mit geradezu spöttischer Gelassenheit begegnet. Beide werden sich im Verlauf der Oper in ihr Gegenteil verwandeln.

Im zweiten Akt ebenfalls viele, viele Bilder und jede Menge Dialoge, vor allem der zwischen Sachs und Beckmesser. Das Ganze gipfelt bekanntlich in der berühmten Prügelfuge – und hier entfacht Katharina Wagner ein grandioses Spektakel. Es geht zu wie in einem Tollhaus, die Akademie-Eleven, eben noch züchtig und ordentlich, mutieren zu wild gewordenen anarchischen Rebellen, als feierten sie eine soeben erst neu errungene Freiheit. Selbst die hehren Gipsbüsten deutscher Geistesgrößen, die bislang die Akademie zierten, werden lebendig. Bach, Beethoven, Hölderlin und Co. tanzen mit. Das ist perfekt choreografiert, das gehört zum Besten dieser Inszenierung.

Dann wird’s problematisch. Katharina Wagner zieht alle möglichen und unmöglichen Register ihrer Regiekunst: Slapstick, Ironie, bitterer Spott, Übertreibungen noch und noch, Peinlichkeiten, Plattheiten, Lächerlichkeiten… Das ist des Guten ganz entschieden zuviel. Stolzing wandelt sich zu einem softigen Traum-Schwiegersohn, der sein Anarcho-Dasein aufgibt und sich als Schlagersternchen an das Kunstgewerbe verkauft. Auch Sachs hat sich verändert, steckt inzwischen in einem feinen Zwirn und leistet sich ein schickes, durchgestyltes Etablissement, nippt zudem fleißig am Rotwein. Nichts bleibt übrig vom Anspruch, sich als Speerspitze der Intelligenz um die revolutionäre Kraft der Kunst zu bemühen. Viel schlimmer noch: all jene, die wahrhaftig eben jene Kunst allein noch hochhalten (Dirigent, Regisseur, Bühnenbildner) werden in eine Kiste gesperrt und kurzerhand angezündet. Das geht zu weit!

Doch die Bahn wird dadurch frei für das Preissingen – auch eine eher peinliche Regieleistung. Ein nackter Adam beim ungelenken Gestammel des Beckmessers soll wohl ein wenig provozieren, die Riesenwurst, die Sachs sich aus seiner Hose zieht wohl auch. Über beides lässt sich nur müde lächeln.

Gruselig wird Sachs’ Ansprache. Wenn er über die „heil’ge deutsche Kunst“ räsoniert, fahren rechts und links von ihm zwei riesengroße Arno-Breker-Helden in Bronze aus dem Bühnenboden, Sachs wird von unten aus angeleuchtet und schwafelt von „welschem Dunst mit welschem Tand“. „Ehrt eure deutschen Meister“ – macht Sachs auf diese Weise seinen Frieden mit den äußeren Umständen?

In der von opernnetz besuchten dritten Repertoirevorstellung auf dem Grünen Hügel gab es einen unvorstellbaren Orkan von Buh-Rufen, als Katharina Wagner zusammen mit dem Ensemble auf die Bühne trat. Hier die Gralshüter der „echten“ Wagnerinszenierungen, dort diejenigen, die darauf warten, dass von Bayreuth vielleicht doch noch neue, wegweisende Impulse ausgehen. Beide Parteien vereinten sich im Fortissimo der Buhs.

Dagegen verdiente die musikalische Leistung der Meistersinger-Aufführung großes Lob, vor allem das ausgezeichnet aufgelegte Festspiel-Orchester unter Hügel-Neuling Sebastian Weigle. Franz Hawlata, nach der Premiere am 25. Juli noch kräftig abgestraft, stand als Sachs nun völlig über seiner Rolle, ging glänzend in ihr auf, von ganz leichten Konditionsschwierigkeiten am Ende einmal abgesehen. Michael Volle als Beckmesser war sängerisch wie schauspielerisch eine Wucht. Und den Walther von Stolzing gab Klaus Florian Vogt mit schier unglaublicher Grandezza: voller Kraft, voller Überschwang, mit unerschöpflichen Energiereserven und ebenfalls schauspielerischer Höchstleistung. Allein die beiden Damen (Amanda Mace als Eva und Carola Guber als Magdalene) blieben hinter diesem Niveau leicht zurück.

Bayreuth ist eine Werkstatt, das weiß man. Katharina Wagner hat an ihren „Meistersingern“ noch viel zu werkeln. Das ihr zu empfehlende Rezept: Weniger ist Mehr. Ihr Ansatz jedenfalls ist gar nicht schlecht.

Christoph Schulte im Walde