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Fakten zur Aufführung 

WOZZECK
(Alban Berg)
11. Januar 2006

Gran Teatro del Liceu (Barcelona)

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Unter der Haut

Um eine der bedeutendsten deutschen Opern des letzten Jahrhunderts zu sehen, lohnt sich derzeit der Weg nach Spanien. Für Barcelona und Madrid hat der katalanische Skandal- Regisseur Calixto Bieito Bergs düsteres Unterschichts- Drama packend in Szene gesetzt. Hochkarätige Solisten beeindrucken im Liceu unter Sebastian Weigles Dirigat, allen voran Angela Denoke als Marie und Franz Hawlata als Wozzeck.

Wir befinden uns in einem von großen Rohren durchzogenen Fabrikgelände, Männer, Frauen und Kinder tragen rote Schutzanzüge und sind offenbar radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Jedenfalls besteht die Hauptaufgabe des Doktors (gesungen von Johann Tilli) darin, die Leichen der Arbeiter zu sezieren, was ihm sichtlich Vergnügen bereitet. Maries und Wozzecks Kind benötigt eine Sauerstoffmaske und sieht aus wie ein kleiner Chemotherapie-Patient, dessen Zuhause ein mobiler Container ist.

Dies sind die drastischen aber treffenden Bilder, mit denen Bieito die Verzweiflung und Beklemmung in Bergs Werk zeitgemäß wiederspiegelt. Maries Wille zum Überleben, ihr Wunsch nach Glück und Liebe kommt in dieser tödlichen Umgebung besonders stark. zum Ausdruck. Angela Denoke verleiht ihr überzeugende Vitalität und Erotik, kombiniert mit tadellosem, volltönendem Gesang.

Franz Hawlata rührt als weicher, kollektiv missbrauchter Wozzeck, den die Grausamkeiten der Anderen zum Mörder werden lassen. Sein Widersacher, der Tambourmajor(Reiner Goldberg) erscheint hier als schillernder Entertainer, dessen Auftritte etwas Abwechslung in den tristen Alltag der Arbeiter bringen.

Nach dem Mord an Marie und Wozzecks Ertrinken im Abflussrohr erscheint als Gipfel des Grauens eine Menge nackter Wasserleichen anklagend auf der Bühne. Das Publikum ist am Ende entsprechend mitgenommen, weiß aber die künstlerischen Hochleistungen angemessen zu würdigen. „Gut gesungen“ ist der häufigste Kommentar auf den Gängen, die exzellente Textverständlichkeit und präzise musikalische Ausführung werden den Muttersprachlern und Berg-Kennern ebenfalls aufgefallen sein. (if)


Fotos: © Alfons Flores