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Fakten zur Aufführung 

TIEFLAND
(Eugen d'Albert)
11. Oktober 2008

Gran Teatro del Liceu Barcelona


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Innenleben statt Naturbeschreibung

„Terra baixa“ – Tiefland aus dem Jahre 1896 ist das bekannteste Werk des katalanischen Autors Àngel Guimerà und hat Kultstatus in seiner Heimat. Nun kehrt dieses Werk in einer wenig naturalistischen Inszenierung von Matthias Hartmann als Übernahme vom Opernhaus Zürich von 2006 mit dem deutsch/österreichischen Sängerehepaar Peter Seiffert und Petra-Maria Schnitzer in den Hauptpartien in seine Heimat zurück.

Eine Herausforderung für das katalanische Publikum, denn die Musik folgt in Wagnerscher Manier in erster Linie dem Text, der dank der modernen Übertitelanlage auf Katalanisch, Spanisch und Englisch auf jedem Platz individuell im Mini-Monitor abrufbar ist.

Für deutsche Ohren ist sie nicht nötig, denn alle Sänger sind perfekt zu verstehen, was auch dem wunderbar durchsichtig musizierenden Orchester unter dem Dirigat von Michael Boder zu verdanken ist. Dass d’Alberts Musik so fein und kammermusikalisch klingen kann, überrascht besonders in einem Riesenhaus wie dem Liceu. Auch die Inszenierung bietet ein psychologisches Kammerspiel und lenkt den Blick in bewusster Auslassung aller Naturbeschreibungen auf das Innenleben der Protagonisten.

Die romantische Bergwelt, aus der der naive Pedro (Peter Seiffert) hinabsteigt, um Marta (Petra-Maria Schnitzer), die Geliebte des Herrn Sebastiano (Alan Titus) zu heiraten, ist nur eine Videoprojektion, die dem in einem Versuchslabor manipulierten Mann ins Hirn eingespeist wird. Wie in „Matrix“ lebt der Held gar nicht wirklich, sondern ist Gefangener einer skrupellosen Macht – hier Wissenschaftler in weißen Kitteln.

Und doch gibt es das Tiefland, die Außenwelt, in die Pedro hinausgelassen wird, um dem Herrn durch eine Heirat von Nutzen zu sein. Anstelle der Mühle und dörflicher Idylle zeigen Hartmann und der Bühnenbildner Volker Hintermeier eine Fabrik, in deren holzgetäfeltem Büro als Zentrum der Macht sich die Ereignisse abspielen. Die drei lästernden Dorfweiber sind dralle Sekretärinnen im Kostüm und die kindliche Nuri (Juanita Lascarro) ist Dienstmädchen und Putzhilfe. Die Figur der Marta als gestandene Geschäftsfrau verliert zwar in dieser Deutung etwas an Dramatik, aber das feine, lyrische Element liegt Petra-Maria Schnitzers Sopran ohnehin näher, und so zeichnet sie eine sehr elegante, makellos singende weibliche Hauptfigur. Peter Seiffert hat rührende naive Töne für den leicht tölpelhaften Pedro, zeigt aber dessen physische Kraft, mit der er letztendlich den bösen Herrn tötet, in grandios heldenhaften Ausbrüchen, in denen er bis an seine Grenzen geht. Einzig der heftig soufflierende Mensch im Kasten, auf den Seiffert anscheinend stark angewiesen war, denn er reichte ihm beim Applaus explizit die Hand, störte gelegentlich das Klangbild.

Trotz gelegentlicher Hust-Intermezzi dankte das aufmerksame und zahlreiche Barceloneser Publikum mit einem herzlichen, allerdings nicht gerade langen Applaus allen Beteiligten, was wohl auf die hohen intellektuellen Anforderungen für das Verständnis dieser Produktion zurückzuführen ist.

Ingrid Franz
 






Fotos: Antoni Bofill