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Barocker Ohrenschmaus mit Extrawurst
Mit einer Wiederaufnahme der Inszenierung von Herbert Wernicke aus der
Spielzeit 2000/01 lockt das Liceu Freunde der Barockoper und Barcelonas
Sommergäste in das Theater an der Rambla.
Eigentlich sind schon Theaterferien, doch in Kooperation mit dem neuen
"Forum" finden fünf Aufführungen in der letzten Juliwoche
statt.
Der Barockspezialist Michael Hofstetter gab sein Debüt am Pult des
Sinfonieorchesters des Liceu und bot mit diesem und einem facettenreichen
Sängerensemble dreieinhalb Stunden Händelsche Vielfalt.
Der Countertenor Flavio Oliver in der Titelpartie gab dem Cäsar mit
hellem Timbre und wenig Durchschlagskraft ein eher weiches Profil, und
auch Cleopatra, gesungen von Elena de la Merced wirkte eher mädchenhaft
unbedarft und beeindruckte mehr durch spritzige Leichtigkeit in den Koloraturen
als durch tragische Töne.
Unglaublich profund klang dagegen die Cornelia von Ewa Podlés,
die mit ihrem einzigartigen Kontraalt männliche wie weibliche Kollegen
in den Schatten stellte. Reizvoll waren die Szenen mit dem Countertenor
Jordi Domènech als ihrem Widersacher Tolomeo, der mit ebenfalls
dunklem, weichen Timbre ihrem schwarzsamtenen Stimmklang am nächsten
kam. Die junge Mezzosopranistin Maite Beaumont gab ihr Liceu- Debut als
Sesto und hatte in vier ausladenden etwas eindimensionalen Rachearien
Gelegenheit ihre Gesangskunst zu präsentieren. Der deutsche Bariton
Oliver Zwarg durfte als Fiesling Achilla schon aus dramaturgischen Gründen
keine gute Figur machen.
Zwei spektakuläre, symbolträchtige szenischen Einfälle
Wernickes ziehen sich durch das gesamte Stück: Der schwarze, dreisprachig
beschriebene Steinblock, die Rosetta, die als Handlungsfläche dient
und das Krokodil, das täuschend echt von Héctor Manzanares
verkörpert wird, alle Akteure auf der Bühne begleitet und am
Ende auch kommentiert.
Wernicke hat die Epochen der Antike, des Barock und der Moderne geschickt
in die Handlung der Oper eingeflochten, sodass es ganz natürlich
wirkt, dass dem lorbeerbekränzten Cäsar Wehrmachtssoldaten in
den Kampf folgen, dass Cleopatra in ihrer Arie "V´adoro pupille"
von barockgewandeten Musikerinnen mit Rokkokoperücken begleitet wird
und dass am Schluss der Chor als staunender Touristenhaufen nach Ägypten
einfällt.
Wernicke hat sich auch musikalisch bei Händel bedient, so bekommt
Cäsars General Curio, gesungen von David Menéndez zwei Arien
aus "Rinaldo", Cäsar eine aus "Orlando" und Tolomeo
eine aus "Tolomeo" zusätzlich. Bei aller Vielfalt und Liebe
zum barocken Detail macht sich zu fortgeschrittener Stunde der Wunsch
nach einer Straffung des Geschehens breit.
So bleibt trotz großer Begeisterung für die musikalische Leistung
am Schluss doch das Gefühl von Übersättigung nach einem
Festessen. Das nächste Ma(h)l doch lieber ohne Nachschlag? (if)
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