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Fakten zur Aufführung 

LA GIOCONDA
(Amilcare Ponchielli)
10. Oktober 2005

Gran Teatro del Liceu (Barcelona)

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Primaballerina oder Primadonna?

Was die Präsentation internationaler Coproduktionen betrifft, liegt Barcelonas Liceu ohne Zweifel mit an der Spitze der großen Opernhäuser. Es ist mittlerweile ein Markenzeichen des Hauses, dass hier anstelle von Neuinszenierungen spektakuläre Produktionen international bedeutender Partner gezeigt werden. Zu Beginn der Spielzeit 2005/2006 wurde nun Ponchiellis Monumentaloper „La Gioconda“ in der Inszenierung von Pier Luigi Pizzi aus der Arena di Verona in  die katalanische Hauptstadt transferiert. Das personelle Aufgebot ist riesig und „La Gioconda“ stellt eine gelungene Präsentation aller Kräfte dar, die das Liceu zu bieten hat.

Chor und Ballett agieren in der detaillierten Choreografie von Gheorge Iancu lebendig und präzise und machen in der geschmackvollen Ausstattung Pizzis eine besonders gute Figur. Pier Luigi Pizzi ist Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner in einer Person und ein großer Ästhet. Er lässt die Oper im Venedig des 18. Jahrhunderts spielen und schafft mit Reduzierung auf das Wesentliche ein Bühnenbild, das genügend Raum für alle Protagonisten bietet: Zwei Kanäle für die diversen Gondel- und Schiffsfahrten, eine Brücke, ein wandlungsfähiges altarähnliches Monument, auf dem ausgiebig gelegen wird. Attraktiv wird die kühle und in Theaternebel getauchte Szene aber erst mit Auftreten der Protagonisten. Das venezianische Volk trägt rot, schwarz, weiß und grau. So kann Deborah Voigt als blonde Gioconda durch ihr leuchtend blaues Kleid stets gut aus der Masse hervorstechen.

Daniele Callegari leitet das Orchester akkurat, animiert es zu mächtigen Klängen und hält selbst die komplexen Ensembleszenen beachtenswert exakt zusammen. Ein wenig mehr Schmelz  und Sentiment in den emotionsgeladenen Arien und Duetten hätte dennoch den musikalischen Anteil aufgewertet. So blieb allen voran bei Richard Margisons Enzo, aber auch bei den anderen Solisten der Eindruck von Eindimensionalität und stimmlichem Kräftemessen.

Ewa Podlés befremdet und beeindruckt mit ihrem außergewöhnlichen Stimmmaterial und großem Gestaltungswillen als alte Mutter. Elisabetta Fiorillo ist eine souveräne und dramatische Laura, die allerdings darstellerisch als verzweifelt Liebende Wünsche offen lässt. Carlo Guelfi als Bösewicht Barnabas zeichnet sich durch vokale Perfektion aus, wie auch Carlo Colombara als betrogener Alvise. Deborah Voigts Gioconda zeigt darstellerisch etwas mehr Emotionen, besonders im Zusammenspiel mit Ewa Podlés und ist stimmlich souverän, ohne jedoch aus dem Ensemble herauszuragen.

Der Glanz, der dem Solistenensemble zum triumphalen Abend fehlt, strahlt im dritten Akt vom Tänzerpaar Letizia Giuliani und Ángel Corella, sowie dem Corps de Ballet aus. Der „Ball der Stunden“ als Balletteinlage ragt in künstlerischem Ausdruck aus allen anderen Szenen heraus. Die Primaballerina, nur mit Spitzenschuhen und einem goldenen Tanga bekleidet, vermag es durch ihren Tanz tatsächlich, Raum und Zeit vergessen zu machen. Das Paar verkörpert in tänzerischer Perfektion die pure Emotion, die Antriebsfeder dieser Oper.

Das zu mitternächtlicher Stunde nach knapp vier Stunden Oper doch etwas müde Publikum honorierte die beachtlichen Leistungen der Solisten angemessen, wenn auch nicht überschwänglich, ließ das Ballet und den Chor hochleben und strömte dann eilig auf die Rambla. (if)


Fotos: © Antoni Bofill