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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
27. September 2007

Festspielhaus Baden-Baden


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ERFÜLLTE TODESSEHNSUCHT

Über sechs Stunden ist eine Steigerung von erstarrter Leidenschaft zur Apotheose mit dem Aufgehen im Universum zu erleben. Nikolaus Lehnhoffs Glyndebourne-Inszenierung verweist auf Nahtod-Erfahrungen, zitiert archaische Mythen, konkretisiert zwanghaftes Handeln – setzt auf innere Dramatik, verweigert sich jeglichen Aktions-Theaters.

Roland Aeschlimanns Bühne verweist mit zerbrochenen Ellipsen-Ringen auf die Idee des zerstörten Zeit-Tunnels und legt das assoziationsreiche Spiel in eine grau-silbergraue Dämmerung.

Nina Stemme gibt der Isolde die bewegende Intensität ihrer modulationsreichen Stimme – kraftvoll in der Mittellage mit betörendem Timbre, geradezu überirdisch in den emotionsgeladenen Höhen und mit beschwörendem Duktus. Robert Gambill stößt im mörderischen dritten Akt an seine stimmlichen Grenzen, artikuliert jedoch den Tristan mit viel tenoralem Gefühl, leidenschaftlichem Aufbegehren und heldischem Pathos. Katarina Karneus ist eine Brangäne mit äußerst flexiblem Mezzo, beeindruckt mir ihren phantastisch melosiösen Rufen – und ist mehr als Isoldes Magd! Mit Stephen Milling präsentiert sich ein voluminös auftrumpfender Marke, der Überlegenheit, Enttäuschung und Verzeihen authentisch vermittelt. Bo Skovhus singt den ergebenen Kurwenal mit viel flexiblem Volumen, vermag Zwischentöne zu artikulieren und vermittelt hochkonzentrierten Bariton-Klang. Stephen Gadds kämpferischer Melot, Michael Viers diffizil-artikulierter Steuermann aus dem Off und Timothy Robinsons melodisch-einfühlsamer Hirt und Seemann vervollständigen ein Sängerensemble auf höchstem Niveau.

Und „Weltniveau“ – das London Philharmonic Orchestra. Was dieses Orchester an Klangintensität, an Differenzierung, an Kommunikation zwischen den Instrumenten, an hauchzarten Verästelungen bis in die letzten Pianissimi unter Jiri Belohlavek hören lässt - das ist atemraubend, vermittelt einen Wagner-Klang, von dem man bis dahin nur träumen konnte.

Im Baden-Badener Festspielhaus ist ein erwartungsvolles Publikum einige Zeit im Unklaren über die Stringenz des langen Geschehens, ist am Ende hingerissen vom imaginativen Schlussbild – mit Farbe und Licht effektvoll gestaltet, entschwindet Isolde im unendlichen Universum. Stille nach dem Fallen des Vorhangs, anschließend der übliche Beifalls-Sturm.

Verständlich, dass nach sechseinhalb Stunden mit zwei bayreuthlangen Pausen viele Zuschauer ziemlich rasch zur Parkgarage streben. (frs)

 

 

 


Fotos: © Andrea Kremper