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Fakten zur Aufführung 

THE BADEN-BADEN-GALA
28. Juli 2007 (Premiere)

Festspielhaus Baden-Baden

Points of Honor                      

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Gesang

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Opern-Magie

Alles Marketing, alles nur Schein: Diese Vorurteile schwinden im repräsentativen Baden-Badener Festspielhaus bei der „Gala“ von Minute zu Minute. Allein das Programm: Bellini, Donizetti, Rossini, Verdi – Belcanto im ersten Teil; Saint-Saens, Delibes, Bizet – französischer Impressionismus im zweiten Teil, ergänzt und abgeschlossen durch Puccini und Verdi. Das hat nichts mit „Wunschkonzert“ zu tun, bedient nicht zwei Stunden lang stereotype Wünsche eines auf Show-Effekte lauernden Publikums – das geschieht erst bei Netrebkos wirbelnder Zugabe als Lustiger Witwe.

Und vor allem gelten die Vorurteile nicht für die „Weltstars der Oper“: Mit welch hoher Konzentration, unbändiger Freude am Singen und emotionaler Präsenz Anna Netrebko, Elina Garanca, Ramon Vargas und Ludovic Tezier ihre hochanspruchsvollen Auftritte angehen – das beeindruckt, und reißt selbst den notorischen Skeptiker hin.

Mit ihrer intensiv gestalteten Casta Diva beweist die Netrebko ihre neue (?) stupende Fähigkeit emotionalen Singens, dem gleitenden Wechsel von strahlenden dramatischen Höhen zu lyrischer Mittellage und depressiver Tiefe. Dabei wird die märchenhafte Schönheit ihrer Stimme sowohl im forte und den crescendi als auch im missa di voce und gehauchten piani zum bewegenden Erlebnis der Magie des Opern-Gesangs.

Elina Garanca brilliert mit ihrem staunenswert variationsreichen Mezzo, und übertrifft alle Vorstellungen vom überhaupt möglichen Ausdruck archetypischer Gefühle mittels Gesang um Welten. Bei ihr wird der hochartifizielle Kunst-Gesang des Belcanto mit den Koloraturen, Läufen und Trillern zu viel mehr als stimmtechnischer Artistik: elementare Empfindungen werden bewegend deutlich. Ein faszinierender Welt-Star der Opern-Magie!

Ramon Vargas ist ein Tenor der differenzierten eher leisen Töne, vermag seine einschmeichelnd legatosichere Stimme mit ihrer Klangschönheit aber in sichere Höhen zu steigern und dabei authentisch zu wirken. Vor allem: Im Duett vermag er sich einfühlsam auf die Partner einzustellen und durchaus „kompetitiv“ einzulassen!

Ludovic Tezier ist ein wunderbarer französischer Bariton, der schwierigste Probleme mit großer Gelassenheit annimmt, und sowohl die Belcanto-Herausforderungen mit grandiosen stimmlichen Variationsmöglichkeiten als auch die Verdi-Partie (Posa) mit Bravour souverän löst!

Vorurteile gegenüber dem „begleitenden“ Orchester sind ohnehin gegenstandslos. Aber wie das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg sich an diesem Abend präsentiert, das übertrifft alle Erwartungen, die an ein Orchester der Extraklasse zu stellen sind: Einfühlsam im Klang, sensibel im Zusammenspiel, sicher in der jeweils geforderten Identifikation mit den kompositorischen Intentionen, zugleich rücksichtsvoll gegenüber den Solisten, ohne das eigene Selbstbewusstsein zu verraten. Marco Armillato tut gut daran, sich vor den Musikern am Ende dankend zu verbeugen!

Teilweise bestätigt allerdings wird das Vorurteil über das Publikum plakativ vermarkteter Galas mit „Weltstars“. So viel Kosmetik und Mode-Design an aufgebrezelten Adabeis sieht auch das Baden-Badener Festspielhaus nur selten. Und viele von ihnen decouvrieren sich am Schluss optisch-lärmend mit ihren blitzenden Digital-Kameras schlicht als verkleidete Provinzheinis und Landpomeranzen.

Zu Anfang gibt es eine wirksame Handlungsempfehlung für potentielle Huster; für Journalsten mit dreißig Jahren Berufserfahrung käme jedoch ein liebevoller Hinweis, ihren Platz in Reihe 8 nicht als Büro misszuverstehen und auf das permanent störende Schreiben zu verzichten, offenkundig zu spät.

Bei allem sollte nicht vergessen werden, Podiumsaufbau mit gesetzten Wandelementen, einer kommunikativ praktizierten Mini-Showtreppe, der zurückhaltend-imaginierende Einsatz des Lichts und der Verzicht auf Notenpulte als wichtige Elemente des großartigen Abends herauszustellen. (frs)


Foto: © Sage Press