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Fakten zur Aufführung 

BAD BOYS DER OPER
12. November 2010

Festspielhaus Baden-Baden


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Die Masken der Bosheit

Wie unterschiedlich können sich doch Schurken anhören. Die Opernliteratur hat es gut gemeint mit den Bass-Baritönen, denn sie haben wirklich ganz faszinierende Rollen zu singen. Der walisische Bariton Bryn Terfel stellte eine Auswahl davon jetzt auf seiner „Bad Boys“-Tournee vor und faszinierte mit einem stilvollen, lebendigen Konzert im Festspielhaus Baden-Baden.

Die wirklich überragende Akustik des Hauses machte das penetrante Flüstern von einigen Nachbarn ebenso deutlich wie den einzigen falschen Zupfer einer Geige oder die schönen Einsätze der Harfen in der Ouvertüre zu La forza del destino. Unter der umsichtigen Leitung von Gareth Jones zeigte das Münchner Rundfunkorchester nicht nur in diesem Solo-Beitrag eine gute Bandbreite in der dynamischen Auslotung. Auch als Begleiter verließen sie sich nicht nur auf fehlerfreies Spiel sondern vielmehr darauf, die Stimmung in vielen funkelnden Details und gefährlich leisen Untertönen mächtig anzuheizen.

So nahm der Abend seinen Lauf und Bryn Terfel zeigte sich nach seinem Wotan an der Met und einem abgesagten Konzert in Hannover in stimmlich guter Verfassung. Seine Gestik beschränkte sich auf sparsame, dafür wirkungsvolle Bewegungen, seine Mimik erweckte die Figuren fast von selbst zum Leben. Zuerst zauberte er einen Dulcamara im besten Parlando aus dem Hut, sicherlich keine Dämonie sondern ein ganz großer Spaß. Beides wurde dafür um so mehr vereint in Boitos Mephistopheles. Das berühmte „Son lo spirito“ hatte abgrundtiefe Bosheit, zugleich aber auch zynischen Spaß an der Zerstörung, Freude an der negativen Energie. Und am Ende forderte er das Publikum auf, sich mit ihm im grellen Pfeifen zu messen. Dem anderen Mephisto blieb die große Wirkung trotz aller Klasse versagt, Terfel schien in der hohen Lage des Rondo vom goldenen Kalb nicht ganz so glücklich zu sein.

Der Kaspar aus Webers Freischütz wäre wirklich eine gute Rolle für Terfel auf der Bühne, sein „Schweig, schweig“ hatte die triumphale Geste eines Menschen, der versucht, sich auf der Ebene des Teufels niederzulassen. Ebenso auch Jagos Credo, das Terfel auf der „Bad Boys“-CD nicht in dieser Dimension eingespielt hatte. Dieser wirklich böse Jago wirkte in seiner äußeren Ruhe von innen heraus getrieben. Makellos trieb er die hohen Töne über das wogende Orchester hinaus. Schön schaurig und differenziert gelang die Geisterstunde „When the night wind howls“ aus Arthur Sullivans Ruddigore.

Schwer zu sagen, was der Höhepunkt des Abends war: Das „Te Deum“ aus Tosca fiel sicherlich in die engere Auswahl. Ein großes Tableau, zu dem sich das exzellente Münchener Rundfunkorchester sowie der schlanke und dennoch durchschlagende Chor der Hochschule für Musik Karlsruhe (Einstudierung: Prof. Martin Schmidt) vereinigten. Überhaupt war dieser Chor ein echter Gewinn für diesen Abend: Die Stimmen klangen unverbraucht, schlank und waren äußert sicher präpariert. So wurde Terfels hoch aufragender Scarpia mit einem düster-sakralen Sumpf umschlossen. Ganz andere Qualitäten hatte seine Ballade von Mackie Messer, wo Terfel mit der schmierigen Schlichtheit das Genius eines bösen Menschen besang.

Und da wäre noch Terfels herrlich zynischer Sporting Live zu nennen: Freie Rhythmik, freche Grimassen und böse Andeutungen machten „It ain’t necessarily so” aus Porgy and Bess zu einer Lehrstunde in Sachen Ausdruck und Gesang.

Zu guter Letzt: Mit der einzigen Zugabe verabschiedete sich Bryn Terfel als vom extremen Gerechtigkeitssinn getriebener Javert aus Les Misarables mit einem fast zu schön klingenden Gruß an die Sterne: „Stars. There out in the darkness“.

Aber was wäre so ein Abend ohne illustres Publikum: Cecilia Bartoli hatte sich ganz ohne Star-Allüren unauffällig im Publikum niedergelassen. Andere waren da deutlich bemühter, um aufzufallen: Es wurde mit langem Arm mitdirigiert, der Nachbar wurde umgehend über die neuesten Erkenntnisse informiert, das Programmheft wedelnd herumgereicht und Bravo-Rufe mit pikiertem Lächeln quittiert. Schade, dass das Festspielhaus Baden-Baden diesem Künstler nicht nur ein zahlendes sondern auch ein durchgängig aufmerksames Publikum bieten konnte. Trotzdem bekam er großen Zuspruch von den Leuten, die nicht da waren, um sich im Glanz eines schönen Festspielhauses zu sonnen, sondern um einen großen Künstler bei einem kurzweiligen, diabolisch-vergnüglichen Abend zu erleben.

Christoph Broermann

 
 
Foto: Sheila Rock