Ambivalentes Dokument
Max Brands „Maschinist Hopkins“ von 1929 (Uraufführung in Duisburg) ist ein intensives Beispiel der authentischen „alternativen“ Kultur der Zwanziger Jahre: bildende Kunst, Literatur, Film, Musik entwickelten einen zeitkritischen Blick auf die brennenden Probleme der Menschen. Die Augsburger Produktion greift diesen dokumentarischen Anspruch auf.
Ulrich Peters vertraut in seiner historisierenden Inszenierung auf die Kraft des Originals mit dem brutalen Zusammentreffen von Kapital und Arbeit und den individuellen Verhaltensdefiziten. Aktualisierungen – wie z.B. der Blick auf die Info-Industrie – werden vermieden.
Die fast expressionistische Bühne Wolfgang Buchners wird beherrscht von Riesen-Schwungrädern als Ikonen des Maschinenzeitalters, erinnern an Chaplins Modern Times.
Wolfgang Weber interpretiert mit dem Philharmonischen Orchester Augsburg die zeitlose Gültigkeit der zu Unrecht vernachlässigten Musik der Zwanziger Jahre (Bielefelds „Opernwunder“ begann anno 1986 mit diesem epochemachenden Werk – im Augsburger Programmheft leider nicht erwähnt) – expressionistisch impulsiv, mit brillanten Ausbrüchen der Instrumentengruppen, gleichzeitig behutsam in der Sänger-Unterstützung.
Die Solisten präsentieren sich in großer Form, haben die spezifischen Tonvariationen drauf und beeindrucken mit intensiven Brüchen vom Parlando zu stimmlichen Eruptionen. Stefan Sevenichs Hopkins hat die nötige Ambivalenz, ebenso wie Sally du Randt eine zwiespältige Nell verkörpert. Mit Selcuk Hakan Tirasoglu als Jim, Peter Bernhard als Bill und ein extrem rollentypisch agierendes Ensemble dokumentieren die Kompetenz des Augsburger Theaters.
Das Haus ist bei der Derniere voll besetzt. Die Oper ist zum Kultstück geworden, die Resonanz fachkundig-begeistert. (frs)
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