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Fakten zur Aufführung 

LULU
(Alban Berg)
19. Oktober 2005 (Premiere)

Megaron Athen

Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Anything Goes

Marlis Petersen ist ohne Frage die Lulu par excellence: als attraktive Frau mit intesiver Körpersprache ist sie das exhibitionistische Sexsymbol, aber auch die schutzsuchende Verliebte und das Sexopfer in Todesangst – dabei stimmlich adäquat, vor allem in den exponierten Lagen klangvoll-dramatisch. Wolfgang Schoene gibt den Dr. Schön als gnadenlosen Machtmenschen, als Jack the Ripper brutal prononciert; seinem voluminösen Bariton fehlt – bei aller Kraft – die extrem bedrohliche Nuance. Da hat die raue Artikulation Jaffe Montes ihren emotionalisierenden Wert: sein Schigolch vermittelt versiffte Würde in emotionalisierender Dramatik. Die Geschwitz der Daphne Evangelatos bleibt mit weichem Mezzo eigentümlich farblos („der Teufel“, aber ein braver); für den Dompteur Andreas Maccos gilt ähnliches, wie auch für den labil-hörigen Alwa Fabrice Dalis’, den Maler Tom Allens und Garegin Hovsepian in drei Nebenrollen. Michael Berner (Opernstudio Karlsruhe) gelingt eine faszinierend-schwebende Charakterstudie des Zimmerdieners.

Das Tschechische Radio Orchester ist kein Opern-Orchester, schon gar nicht spezialisiert auf den spezifischen Berg-Klang; die Korrepetitoren haben in intensivster Arbeit das Verständnis für die expressiv-virtuose Partitur erarbeitet, so dass Nikos Tsouchlos dem epochemachenden Werk mit konzentrierten Dirigat sehr nahe kommen kann.

Der Kommunikationsraum von Gottfried Pilz schafft dämonische Atmosphäre: reduziert schwarze riesige Bühne, signifikante Elemente auf der sparsam genutzten Drehbühne, eine Bühnenwand als Metapher für den Bildungsmüll – und das optisch forciert durch das Light-Design von Manfred Voss.

Eike Gramms bleibt bei der „spannenden Story“ der 3-Akt-Version: aber ob die Lulu nun ein männermordendes Biest, ein Opfer männlicher Sex-Obsessionen oder ein Sex-Spielzeug à la Ingrid Steeger ist, das verblasst im unbegriffenen Anything goes; Elemente werden eingeführt, (der Maler ist ein Videokünstler, aber nicht auf ihre dramatische Konsistenz überprüft und durchgehalten). Auch die bemerkenswerten choreographischen Elemente (Petros Gallios) sind im Gesamt der Inszenierung nicht mehr als intensive Illustrationen der Zwischenmusiken (vor dem Soho-Akt die Lulu-Suite).

Mit der Lulu wurde zum ersten Mal der Theatersaal des Konferenzzentrums des Athener Megaron musikis – des sensationellen Konzertsaals – als akustisch phänomenaler Opern-Raum genutzt. Doch Athen ist (noch?) keine Opern-Metropole – trotz einer Maria Callas und einer Agnes Baltsa als Premierengast; es wird in der Spielzeit 05/06 vier Opernproduktionen mit ca. 35 (!) Aufführungen geben. Was ist das in einer Vier-Millionen-Metropole. Und wenn dann noch die traditionsreiche Griechische Nationaloper offenbar nicht mehr die finanziellen Mittel hat, um ihren Spielbetrieb zu realisieren?!

Megaron Musikis feiert einen guten Einstand; dem Publikum allerdings fehlt die Opern-Leidenschaft. Begonnen wird die Ouvertüre bei geöffneten Türen, da klingelt schon mal ein Handy, da wird zwischendurch getuschelt, da gibt’s spärlichen Pausen-Applaus und da strömen die schicken Eleganten nach Schluss denn auch zu rasch ans exquisite Büffet. Da steht noch eine enorme Arbeit bevor – vom internen Disput Nationaloper versus Megaron mal abgesehen. (frs)