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Fakten zur Aufführung 

SAINT FRANCOIS D'ASSISE
(Olivier Messiaen)
1. Juni 2008 (Premiere)

Holland Festival
Het Muziektheater Amsterdam


Points of Honor                      

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Musikalische Spiritualität

Allen Beteiligten ist klar: Messiaens „Francois“ ist keine „Oper“ – ist aber auch kein Schauspiel mit Musik, kein verkapptes Oratorium. Es ist vielmehr ein katholisch inspiriertes Bekenntnis zur Spiritualität, vom tiefgläubigen Messiaen zwischen 1972 und 1983 fast grüblerisch erarbeitet – ein Mixtum aus Mystizismus, Naturglauben, Gottesfurcht und Heiligenverehrung mit den Mitteln der Musik, ohne szenisches Kalkül.

So sitzt das Riesenorchester unter einer Kathedralenkuppel, umrahmt von Gerüsten, die kirchliche Restaurationsarbeiten assoziieren. Jean Kalmans kühn konstruierte Bühne über dem verdeckten Orchestergraben schafft klerikale Opulenz und Intimität, korrespondiert mit der demonstrativ zurückhaltenden Personenführung Pierre Audis.

Audi akzeptiert die Dominanz der Musik, gibt Francois, seinen Brüdern, dem gläubigen Volk, dem Lepra-Kranken, dem Engel, der Kinderszene kommunikativ bedeutsamen Stellenwert - verfällt aber nicht dem Irrtum, ein ohnehin nicht vorhandenes dramatisches Handlungskonzept zu dekonstruieren: verinnerlichter Gottesbezug, Glaubenszweifel, Glorifizierung des „Heiligen“ bestimmen die fünfeinhalb Stunden spirituellen Musiktheaters - werden aber nicht zu einer Messe theatraler Art.

Da steht schon Messiaens in den Klangfarben changierende Musik dagegen – facettenreich filigran präsentiert vom Residentie Orkest van de Nederlands Opera unter Ingo Metzmacher. Und was da in ungewöhnlicher Zusammensetzung mit vielfältiger Percussion-Abteilung, mit drei Ondes Martenot und selbständigen Tableaux souverän verweisend an Hörerlebnissen geboten wird - das ist faszinierend, artikuliert religiöses Hoffen, spirituelles Betroffensein, Leuchtkraft des Glaubens in ungeahnter Intensität! Die legendären Vogelstimmen – eine orchestrales Meisterstück.

Camilla Tilling singt den verkannt-behütenden Engel mit inniger Leidenschaft; Hubert Delamboye verleiht dem ambivalenten Leprösen differenzierte Stimme; Henk Neven ist ein stimmlich subtil phrasierender Bruder Leon – alle Solisten lassen sich auf die so besonderen Anforderungen des von Messiaen geforderten Gesangs kompetent typengerecht ein. Geradezu sensationell der perfekte Zusammenklang des Koor van de Nederlandse Opera (Leitung Martin Wright). Rod Gilfry singt den Francois mit starker gesundheitlicher Indisposition, hat entsprechend belastende stimmliche Störungen und hält sich im Ausdruck zurück.

Vielleicht ist dies der Grund für eine durchgängig eher pessimistische Stimmung, von der Fröhlichkeit des Francois-Glaubens wird wenig vermittelt - der Eindruck einer lastenden Gottesfurcht beherrscht den langen Abend. Das wirklich gebannt lauschende Publikum ist tief beeindruckt von der so ungewöhnlichen spirituellen Kommunikation - intensiver, langanhaltender Beifall! (frs)